Ausgerechnet den?
den zwei Tagen, die seitdem vergangen waren, hatten die Spannungen zwischen ihnen eher zu- als abgenommen.
Sie zupfte an der Stickerei auf dem Bettüberwurf. »Dieses Haus muss so bald wie möglich ausgeräumt werden, damit es verkauft werden kann. Leider sieht es so aus, als müsste ich eine Weile hier bleiben, also habe ich mich entschlossen, in eine Apartmentwohnung zu ziehen, die Bert gehörte, nicht weit vom Trainingskomplex der
Stars
entfernt. Die Anwälte sagen, ich kann dort bis Anfang nächsten Jahres wohnen.« Sie bekam darüber hinaus eine monatliche Geldsumme für ihre Lebenshaltungskosten, was ein Glück war, denn auf ihrem Konto sah es mittlerweile rabenschwarz aus.
»Da ich sowieso bald wieder nach Crayton gehe, verstehe ich nicht, was mich das alles angehen soll.«
Sie ignorierte Mollys schlechte Laune. »Ich beneide dich nicht. Ich konnte dieses Internat nie ausstehen.«
»Ich hab ja wohl keine Wahl, nicht?«
Phoebe versteinerte, und ein komisches Kribbeln lief ihr über den Rücken. Mollys Gesicht war starr und ausdruckslos, bis auf ein leichtes Zucken an ihrem Mundwinkel. Diese sture Miene war ihr nur allzu vertraut, die Weigerung, andere um Hilfe zu bitten oder sich auch nur die geringste Schwäche anmerken zu lassen. Sie selbst hatte ähnlich reagiert, um ihre schlimme, schrecklich einsame Kindheit zu überstehen. Je mehr sie ihre Schwester beobachtete, desto sicherer wurde sie sich, dass die Idee, die ihr seit gestern nicht mehr aus dem Kopf wollte, richtig war.
»Crayton ist eine ziemlich kleine Schule«, begann sie vorsichtig. »Ich hab immer gedacht, dass ich mich an einer größeren Schule vielleicht wohler gefühlt hätte, eine Schule, wo’s mehr Schüler gibt, aus den unterschiedlichsten Verhältnissen. Vielleicht geht’s dir ja ähnlich. Vielleicht würdest du ja gern auf eine gemischte Schule gehen.«
Mollys Kopf schoss hoch. »Du meinst mit Jungs in eine Klasse gehen?«
»Warum nicht?«
»Ich kann mir überhaupt nicht vorstellen, wie das wäre, Jungen in der Klasse zu haben. Sind das nicht ziemliche Rowdys?«
Phoebe lachte. »Ich bin nie mit Jungs zur Schule gegangen, also hab ich keine Ahnung. Wahrscheinlich.«
Molly zeigte sich zum ersten Mal lebhaft, und Phoebe tastete sich vorsichtig weiter vor. »Es gibt hier ein paar sehr gute öffentliche Schulen.«
»Eine staatliche Schule?«, spuckte Molly verächtlich.
»Da ist das Bildungsniveau doch unter aller… du weißt schon.«
»Nicht unbedingt. Und außerdem, jemand mit deiner hohen Intelligenz ist doch wahrscheinlich ohnehin mehr ein Autodidakt, was macht es also für einen Unterschied?« Sie blickte ihre Schwester voller Mitgefühl an und meinte leise: »Mir scheint, dass es im Moment wichtiger für dich wäre, ein paar Freunde zu haben und ein bisschen mehr Spaß. Das Integralrechnen kann warten.«
Molly zog sich prompt wieder in ihren Panzer zurück.
»Ich habe jede Menge Freunde.
Jede Menge.
Und zufällig mag ich Mathe sehr. Ich würde nie eine minderwertige Ausbildung in Kauf nehmen, nur um mit irgendwelchen kindischen, albernen Jungs zur Schule zu gehen – die im Übrigen nie auch nur annähernd so reif sein können wie all meine festen Freunde in Connecticut.«
Das musste Phoebe ihr lassen. Sie kämpfte bis zum Umfallen.
Mollys kleiner Mund kräuselte sich verächtlich. »Aber du kannst das natürlich nicht verstehen. Du bist nicht begabt, so wie ich.«
»Ich nehme dir ja nur ungern deine Illusionen, Mol, aber mein IQ ist auch nicht zu verachten.«
»Das glaub ich dir nicht.«
»Dann los, hol dein Heft raus. Lass uns ein paar Integralrechnungen machen.«
Molly schluckte. »So – so weit sind wir noch nicht.«
Phoebe verbarg ihre Erleichterung. Es war Jahre her, seit sie Mathe gehabt hatte, und sie konnte sich an nichts mehr erinnern. »Beurteile ein Buch nicht nach seinem Umschlag, Mol. Nimm dich zum Beispiel. Wenn man dich nur nach deinem Äußeren beurteilen würde, könnte man meinen, du wärst unfreundlich und ein klein bisschen arrogant. Aber wir beide wissen, dass das nicht so ist, oder?« Sie wollte Molly zum Nachdenken bringen, nicht sie beleidigen, also versuchte sie ihre offenen Worte mit einem Lächeln zu entschärfen. Es funktionierte nicht.
»Ich bin nicht arrogant! Ich bin ein total netter Mensch und habe viele Freunde und –« Sie rang erschrocken nach Luft.
Phoebe folgte ihrem entsetzten Blick und sah Pooh, die soeben ein abgewetztes braunes Plüschäffchen unter Mollys Bett
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