Ausgerechnet den?
sie gezwungen, mit Craig zu tanzen. Keiner hatte sie gezwungen, über seine Scherze zu lachen und mit ihm zu flirten. Sie hatte alles getan, um ihm zu gefallen.
Mehr und mehr überzeugte sie sich davon, dass sie selbst Schuld an dem Vorfall hatte. Ihre Mitbewohnerin, die sich wegen ihrer Zurückgezogenheit große Sorgen machte, flehte sie wieder und wieder an, mit ihr auszugehen.
Schließlich erschien es Phoebe einfacher, ja zu sagen als sich weiter zu weigern, und sie begann, ihre Abende in den Brasserien und Straßencafes am Montparnasse zu verbringen, bei billigem Wein und billigem Pot, in Gesellschaft eines bunten Völkchens von Studenten. Da sie mit ihrem Kummer auch ihren Appetit verloren hatte, war auch der letzte Rest ihres Babyspecks verschwunden, und sie besaß nun lange, schlanke Beine und ein schlankeres Gesicht mit ausgeprägten Wangenknochen, die ihre exotischen, schräg stehenden Augen noch mehr unterstrichen. Doch ihre Brüste waren üppig geblieben, und die Jungs bemerkten dies trotz der weiten, schlabbrigen Pullis, die sie dauernd trug. Die Intensität, mit der sie hinter ihr her waren, vergrößerten ihren Selbsthass nur noch. Sie wussten, was für eine sie war. Nur deshalb gaben sie keine Ruhe.
Ohne recht zu wissen, wie es geschah, bestrafte sie sich, indem sie mit einem von ihnen schlief, einem jungen deutschen Soldaten, der in Paris war, um hier bei der UNESCO eine Ausbildung zu machen. Dann ließ sie einen bärtigen schwedischen Studenten in ihr Bett und nach ihm einen langhaarigen Fotografen aus Liverpool.
Reglos lag sie unter ihnen und ließ sie tun, was immer sie wollten, denn tief in ihrem Herzen wusste sie, dass sie es nicht besser verdiente. Mehr noch als ihre schwitzenden Leiber und grabschenden Hände nämlich hasste sie sich selbst.
Nur allmählich kam sie wieder zur Vernunft. Voller Entsetzen über das, was sie mit sich hatte geschehen lassen, suchte sie panisch nach einem Weg, wie sie sich in Zukunft selbst schützen konnte. Männer waren ihre Feinde. Es auch nur eine Sekunde zu vergessen hieß, sich in Gefahr zu begeben.
Sie fing an, die hübschen jungen Französinnen zu beobachten, die abends über den Boulevard du Montparnasse flanierten. Sie saß in den Brasserien und beobachtete, wie diese Mädchen ihren Männern schmelzende Blicke zuwarfen, wie sie sie mit frechen, wissenden Augen in ihren Bann zogen. Sie sah, wie selbstbewusst sie in ihren knallengen französischen Jeans herumstolzierten, mit schwingenden Hüften und keck vorgereckten Brüsten.
Eines Abends beobachtete sie eine junge Schönheit, die ihr Mündchen öffnete, damit ihr vollkommen hingerissener Verehrer eine köstliche Auster von der Schale zwischen ihre Kusslippen gleiten lassen konnte. Auf einmal war alles glasklar. Diese jungen Französinnen benutzten ihren Sexappeal, um die Männer zu beherrschen, und die Männer waren wehrlos dagegen.
Mit dieser Erkenntnis begann ihre eigene Transformation.
Als Arturo Flores sie schließlich in einem Kunstsalon entdeckte, in dem sie jobbte, waren ihre weiten, sackartigen Pullis längst verschwunden. Stattdessen trug sie knallenge Jeans und winzige, hautenge Tops, aus denen ihre Brüste förmlich herauszuquellen schienen.
Platinsträhnen betonten ihr hellblondes Haar und zogen die Blicke der Männer unwiderstehlich auf die verführerische, seidige Masse, die ihr in sanften Wellen bis über die Schultern floss. Mit frechen, selbstbewussten Augen blickte sie nun die Männer an und fällte ihr Urteil.
Hinschauen erlaubt,
chere,
aber berühren verboten.
Ihre immense Erleichterung darüber, wie sie mit eingezogenen Schwänzen davonschlichen, nachdem sie mit ihnen geflirtet und sie in die Wüste geschickt hatte, ließ sich kaum beschreiben. Endlich hatte sie eine Methode gefunden, mit ihnen fertig zu werden. Sie war kein wehrloses Opfer mehr.
Arturo Flores war anders. Er war viel älter, ein sanfter, brillanter, einsamer Mann, der nur ihre Freundschaft suchte. Als er sie fragte, ob er sie malen dürfte, sagte sie ohne Zögern zu – und ohne auch nur im Traum daran zu denken, dass sie sieben Jahre Ruhe bei ihm finden würde.
Arturo gehörte zu einem engen Zirkel reicher, prominenter Europäer, die insgeheim homosexuell waren. Seine handverlesenen Freunde wurden auch ihre Freunde. Sie waren geistreich, kultiviert, manchmal auch snobistisch, aber im Allgemeinen herzensgute Menschen. Und sie wollten nichts von ihr, jedenfalls nichts Körperliches. Was sie wollten, war
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