Ausgerechnet Souffle'!
an, dass er sich um sich selbst kümmern könne und mich das sowieso nichts anginge. Helgas jungmädchenhaft verklärte Miene genügte mir dann so oder so als Antwort. Mir gefällt der Gedanke, dass sie einander in Zukunft mit Geschirr aus eigenem Hausstand bewerfen. Grundlegend geändert hat sich nämlich nicht viel zwischen ihnen. Der einzige Unterschied besteht lediglich darin, dass sie sich nach dem täglichen, handfesten Krach versöhnlich in die Arme fallen, um wie Teenager zu knutschen. Ich bin mir diesbezüglich nicht sicher, ob ich den ursprünglichen Zustand nicht doch besser fand.
Frau Krause befindet sich seit ihrem Einzug allerdings häufiger in meiner als in ihrer Küche. Meinen Einwand, sie nicht bezahlen zu können, fegte sie mit einem fast schon beleidigten: „Mädche, ich well kein Geld nit!“ beiseite. Und servierte mir eifrig einen duftenden Eintopf.
Auch das Büro ist größer als mein ehemaliges. Ich schließe sacht die Türe hinter mir, halte einen Augenblick inne und betrachte die Einrichtung. Der Raum empfängt mich hell und freundlich und die gefälligen Möbel mit dem antiken Look schenken ihm beinahe etwas Erhabenes. Der edle Berber, ein Geschenk von Baabak, dämpft jeden Schritt und ich gebe dem Drang nach, meine Schuhe auszuziehen. Meine bloßen Füße versinken in dem weichen Teppich, prompt bekomme ich Gänsehaut. Ich befinde mich zweifelsohne im Arbeitszimmer einer Geschäftsfrau. Einer Barfüßigen zwar, aber eindeutig einer Geschäftsfrau. Ich komme nicht umhin, stolz zu sein. Es wird noch seine Zeit dauern, bis ich meine Korrespondenz und die Verbindlichkeiten geordnet und weitgehend in die richtigen Bahnen gelenkt habe. Doch auf dem Geschäftskonto liegt eine ordentliche Summe, und wenn ich gut haushalte und zusätzliche Kochseminare anbiete, dann müsste ich es schaffen.
Das Cook & Chill kehrte an einem regnerischen, stillen Septembermorgen ins Leben zurück. Glöckchen überlebte das Feuer leider nicht. Sein Nachfolger „Muh“, eine Schweizer Kuhglocke, gibt sich redlich Mühe, lässt allerdings die gewohnte Penetranz in der Stimme vermissen. Muh schellt tiefer, dafür häufiger. Meine Kundschaft blieb mir treu. Altbekannte Gesichter füllen den Laden und haben auch gleich neue mitgebracht. Soweit ich die Anmeldelisten übersehe, kommen diesmal zwei Kurse zustande, einer davon für Fortgeschrittene. Die vertrauten Namen auf dieser Liste entlocken mir ein schiefes Lächeln. Auf einem gesonderten Vordruck notiere ich handschriftlich die vorläufigen Anfragen aus der überquellenden Mailbox. Friedrich, der Webdesigner, entwarf für uns eine ansprechende Website und stellte diese ins Internet. Das Interesse an der Kochkunst boomt. Ich werde eine Auswahl daraus treffen und die übrigen auf die nächsten Kursabschnitte vertrösten müssen. Als ich in meinem Terminkalender blättere, fällt mir ein weißes, rechteckiges Kärtchen entgegen. Die feste Papierstruktur fühlt sich rau und zart gleichermaßen an und ich betrachte versunken die aufgeprägte Schrift. Die Nummer kenne ich auswendig. Jeden Tag nehme ich mir vor, Felix anzurufen. Um es auf den Folgenden zu verschieben. Das tue ich seit Wochen. Ich traue mich einfach nicht, so groß ist meine Angst vor ... was auch immer.
Der Drucker spuckt ein weiteres Anmeldeformular aus. Etwas geistesabwesend trage ich eine neue Schülerin in die Anfängerkursliste ein. Halte ein und vergleiche erneut den von mir niedergeschriebenen Namen mit dem auf der Anmeldung. Melissa Wagner. Sieh an. Julia rührt also kräftig die Werbetrommel. Ich lese die persönlichen Angaben Melissas genauer und verweile auf der eigenwilligen Signatur. Plötzlich kommt mir eine Idee. Ein breites Grinsen überzieht mein Gesicht.
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Im Café bezahlt Louise ihre Rechnung und macht Anstalten, sich von ihrem Platz zu erheben. Sie gefällt mir heute gar nicht. Um die Nase herum ist sie ganz blass, die Wangen wirken fahl und eingefallen, dunkle Schatten liegen unter ihren trüben Augen. Besorgt lege ich die Seidenstrickjacke um ihre mageren Schultern und streichle unvermittelt über ihren Rücken. Das behagt ihr überhaupt nicht. Wie ein lästiges Insekt schiebt sie meine Hand beiseite und zieht die Schulterblätter zusammen. Hektisch packt sie ihr Notizbuch ein, womit sie meinen unbeholfenen Versuch vereitelt, ein paar der Zeilen zu entziffern. Zu gerne wüsste ich, was sie schreibt. Vor allem, worüber. In einer Art Übersprungshandlung wirft sie mir
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