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Ausgerechnet Souffle'!

Ausgerechnet Souffle'!

Titel: Ausgerechnet Souffle'! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Winter
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Fenstern. Man betätigt die Entertaste und schließt versehentlich eine Lebensversicherung ab. Oder zwei davon.
    Computer sind gefährlich. Ich kannte mal jemanden, der drückte auch auf den falschen Knopf. Der arme Bursche landete unversehens in einer virtuellen Welt, welche ihn Kopf und Kragen kostete. Als glorreicher Ritter wandelte er auf unerforschten Hochebenen, scharrte eine Gilde ähnlich Gearteter um sich und wurde Kriegsherr. So berühmt und berüchtigt, wie er es in seinem realen Leben als unbedeutender Sachbearbeiter nie werden konnte. Das Suchtpotenzial seines Spiels unterschätzte er gewaltig. Bald spielte er beim Essen, im Büro, vor dem Fernseher und verkniff es sich sogar zeitweise, die Keramikabteilung seiner Wohnung zu visitieren. Tatsächlich urinierte er behelfsweise in eine Colaflasche, während sein rechter Zeigefinger unentwegt gefährliche Monster kaltstellte. Er bemerkte das Läuten des Kundentelefons ebenso wenig wie die Anwesenheit seines Chefs, der an einem Montagvormittag missgelaunt vor ihm stand. Mit der zweiten Abmahnung warf man ihn hochkant aus der Firma. Als Sozialhilfeempfänger durfte er nun 24 Stunden am Tag Master Lancelot sein. Dass seine Freundin auszog, fiel ihm demnach ebenfalls nicht weiter auf. Irgendwann stellte er bei der morgendlichen Rasur fest, sein Spiegelbild verloren zu haben. Nein wirklich. Der Unglückliche erkannte sich selbst nicht wieder. Ich glaube, er landete dann in der Psychiatrie. Da haben sie keine Computer. Aber den brauchte er ja nicht länger. Inzwischen war er nämlich wahrhaftig ein Ritter.
     
     „Oh Mann.“
    Ein Stoßseufzer der Erleichterung. Mein Drucker spuckt Punkt dreiundzwanzig Uhr dreißig mit einem verächtlichen Rülpsen den letzten Tropfen Tinte aus.
    „Kannst du laut sagen.“
    Ich reibe meine Augen. Meine Glieder schmerzen vom langen Sitzen und ich bin endlos müde. Doch das Endergebnis kann sich sehen lassen. Fein säuberlich stapeln sich nach umgerechnet sechsundzwanzig Arbeitsstunden Hunderte von Visitenkarten und ordentlich gefaltete, rot glänzende Flyer auf dem riesigen Küchentisch.
     
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    Britta erhebt mit gekünsteltem Bariton ihr Glas.
    „Fahr das widerspenstige Ding runter. Zeit, zu feiern!“
    Tatsächlich. Ich kann es kaum glauben. In wenigen Tagen öffnet das Cook & Chill seine Tür. Morgen wird das in Auftrag gegebene Ladenschild geliefert. Mein Bankkonto ist leer. Und mein Herz übervoll, wenn auch etwas ängstlich.
    „Und falls keiner kommt?“
    Ich fange einen befremdeten Blick ein.
    „Du wirst dir das noch wünschen.“
    Seelenruhig entkorkt sie eine Flasche Champagner. Der liegt seit Wochen im Kühlfach und harrt mindestens so ungeduldig wie ich auf den finalen Augenblick. Ich persönlich trinke eigentlich keinen Champagner. Am liebsten mag ich ihn zu Essbarem verarbeitet. Das Gebräu schmeckt sauer und besitzt zu viel Kohlensäure. Davon abgesehen bezweifle ich die Rechtmäßigkeit des zuweilen völlig überzogenen Preises. Als Konsument bezahle ich ungern für die führenden Hersteller die weltweite Vermarktung mit. Zugegebenermaßen lassen die strengen Herstellungsvorschriften dieses zweifach gegärten Schaumweines nur erstklassige Qualität zu.
    Tatsächlich wird Champagner ausschließlich in Frankreich angebaut und es werden nur drei Rebsorten verwendet. Pinot Noir, Pinot Meunier und der weiße Chardonnay. Die Mischung bestimmt dann den Charakter des Gebräus. Farblos ist er immer, da die Trauben der roten Sorten so zügig abgepresst werden, dass keine Pigmente in den Grundwein gelangen. Der Basiswein wird nach der ersten Gärung in Flaschen abgefüllt, wo er unter Zusatz von Hefe, Rohr- oder Rübenzucker ein zweites Mal gärt. Ich finde daran lediglich den erhöhten Alkoholgehalt spannend. Die bekannten Rüttelbretter dienen dabei dem Entfernen der Hefe. Durch das ständige Drehen sammelt sich diese im Flaschenhals. Bei einem namhaften Produzenten werden so rund neun Millionen Flaschen im Jahr noch von Hand gedreht. Man stelle sich das vor. Seit dem 17. Jahrhundert ist das Getränk das Festlichste auf der Welt. Und genau deshalb trinken wir es heute. Nicht weil es schmeckt.

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