Ausgerechnet Souffle'!
Cheers.
Was in dieser Nacht geschieht, wird als eine der beispiellosesten Werbeaktionen in die Geschichte der Kölner Gastronomie eingehen. Das Zauberwort heißt Dankbarkeit und wird aus dem Umstand geboren, dass Britta in ihrer Einrichtung stets den Bedürftigen einen heißen Kaffee und belegte Brötchen anbietet. Es gibt verdammt viele Mittellose, die in der Sozialstelle verkehren. Und die tun meiner Freundin jeden Gefallen, erst recht, kommen ein paar Scheine dabei rum. Innerhalb weniger Stunden fallen an die hundert Verteiler mit roten Flugblättern über sämtliche Viertel der Stadt her. Weder vor Autoscheiben noch vor Schaufenstern wird haltgemacht. Ich meinerseits hätte niemals gedacht, dass es solch diebisches Vergnügen bereitet, heimlich ein Stück Papier an eine Wand zu pappen. Vermutlich liegt das daran, dass es illegal ist.
Schon als Kind übten Verbote einen besonderen Reiz auf mich aus. Eine meiner unseligsten Erinnerungen bezieht sich auf ein rotes Pulver in einem Tupperdöschen. Meine Mutter tat stets immens geheimnisvoll, wenn sie es aus ihrer Küchenschublade holte, um eine winzige Prise davon in den Topf zu geben. Gleichermaßen verhielt es sich mit den purpurfarbenen Fäden in einem anderen Behältnis, von denen ich annahm, es seien klitzekleine Würmer. Wohlmeinend schüttete ich die ekligen Tiere in den Ausguss und spülte kräftig hinterher. Mutti erzählt jedem, dass ich im zarten Alter von sieben Jahren echten iranischen Safran im Wert von hundert Euro mit Todesverachtung ins Klo geworfen hätte. Immerhin lernte ich daraus, dass es sich mit dem roten Pulver wohl ganz ähnlich verhalten musste und schlussfolgerte in kindlicher Logik auf seinen Nährwert. Ich meinte es gut, ehrlich, als ich meinem Meerschweinchen den Chili unter das Futter mischte. Leider überlebte Tippsi meine Fürsorge nicht. Das scharfe Gewürz muss regelrecht seinen Magen gesprengt haben, worüber ich nicht gerne nachdenke. Bis heute mache ich mir deshalb Vorwürfe und bin mit unerlaubten Dingen extrem vorsichtig geworden.
So regt sich trotzdem ein mahnendes Stimmchen in mir, als ich den Flyer ins Küchenfenster meines Lieblingscafés hänge, wohlweislich den aufgeklebten Hinweis: „Plakatieren verboten“ übersehend.
„Vergiss das Meerschwein!“ schallt es über mir.
Britta balanciert auf dem Flachdach des Garagenanbaus und springt mit einem Jauchzen in die Höhe. Sie schleudert zahllose signalrote Schmetterlinge in die Luft. Eine Sekunde lang vibriert und flattert die Papierwolke auf der Stelle, ehe sie sich behutsam senkt. Der Wind verteilt die Zettelchen wohlwollend bis zur nächsten Straßenecke. Meine Freundin hat sie nicht mehr alle. Und weil sie mir darin so ähnelt, interessiert das nicht die Kaffeebohne.
Als der Morgen graut, ist ganz Köln, einschließlich seiner Laternenpfähle und Mülltonnen, mit den roten Cook & Chill Werbeblättern übersät. Das Grauen nehme man in diesem Sinne wörtlich. Vermutlich gibt’s demnächst ein saftiges Bußgeld wegen unerlaubten Plakatierens öffentlicher Flächen.
„Du solltest dir einen guten Anwalt suchen“, bemerkt Britta trocken und pappt den letzten Flyer mit ein bisschen Spucke an die Frontscheibe eines Streifenwagens.
Den ersten Hinweis auf die Verwendung der Chilischote erhält man aus Funden in präkolumbischen Begräbnisstätten Perus. Die Ureinwohner Südamerikas nutzten sie jedoch nicht nur als Grabbeigabe, sondern auch als Heilmittel gegen Zahnschmerzen und Arthrose und nur sekundär als Gewürz. Chili gehört zur Gattung der Paprikagewächse und stammt ursprünglich aus Mexiko. Mal wieder fand der unsägliche Christoph Kolumbus Gefallen daran, Essbares zu stehlen. Eigentlich suchte er (wie so oft) etwas völlig anderes, nämlich Pfeffer. Aber wie es sich schon mit der Entdeckung Amerikas verhielt: Der depperte Glückspilz stolperte über viel Besseres. Er brachte seine rote, scharfe Beute nach Europa und von dort gelangten Chillies nach Afrika, Indien und in den Orient, wo sie wesentlicher Bestandteil der Landesküchen wurden. Die weite Verbreitung erklärt sich vor allem an der Haltbarkeit der Samen, die eine zweijährige Seefahrt ohne Probleme überstanden.
Drüben brennt noch Licht, als ich nach Hause komme. Ich kippe mein Fenster und lausche in den heraufdämmernden Morgen. Ganz sachte schwebt eine Tonfolge durch den Spalt in meine Küche hinein und windet sich um den Deckenfluter, um sanft herabzusinken. Er hört Jazz. Ich
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