Ausgerechnet Souffle'!
mit beiden Beinen mittendrin. In meinem eigenen Laden. Eine erhebende und beängstigende Empfindung gleichermaßen.
Anerkennend bemerke ich, dass meine Perle Olga sich selbst übertroffen hat. Alles blitzt und blinkt. Der Boden glänzt so rein, dass ich im Grunde auf Tische verzichten könnte, damit die Leute direkt von den wunderbaren Fliesen essen können. Die Handwerker leisteten wirklich gute Arbeit, auch wenn mich das unzählige Käsebrötchen kostete. An die Endabrechnung denke ich nicht mal. Die brüchigen Teile des Bodenbelags wurden entfernt, der Fliesenspiegel aus den erhaltenen, restaurierten Kacheln bildet ein Rechteck in der Mitte des Raums, umfriedet von naturgebeizten Eichenholzdielen, die frisch poliert im Licht schimmern. Ein großartiger Kontrast. Noch hängt der durchdringende Geruch feuchter Farbe in der Luft und vermischt sich mit dem von Essigreiniger und Holzöl.
Einige Kisten stehen ungeöffnet im Ladenlokal. Die letzten Sendungen aus den Verlagen müssen einsortiert werden. Als ich die erste Palette aufreiße, strahlt mir ein türkisfarbenes Cover entgegen. Ich nehme das schwere Buch in die Hand. Bewundernd streiche ich über den Einband. Die geprägten Lettern heben sich zart von der seidenglatten Fläche ab. Ganz kurz nur die Augen schließen, während meine Fingerspitzen lesen lernen. Ein hochwertiges Kochbuch ist eine Art kulinarische Bibel. Nein, viel mehr. Das, was Mutti früher nachlässig aus Zeitschriften ausschnitt und in ein Schulheft klebte, generieren in der heutigen Zeit regelrechte Künstler. Der Umschlag besteht aus glänzendem, griffigem Material und das Design präsentiert sich in schlichter Eleganz. Öffnet man das Buch, wispern Seiten aus dickem, teurem Papier und verströmen das typische Aroma von Druck und Kleister. Sie hadern noch, sich voneinander zu lösen, damit ich darin blättern kann. Die Schrift ist geschwungen, manchmal verspielt oder gestochen scharf. Sogar ein goldenes Lesebändchen liegt zwischen den Bögen. Am schönsten finde ich die Bilder. Schmeichelnde Entführer in den Himmel der sinnlichen Vorstellungskraft. Die Gerichte wurden so kunstfertig abgelichtet, dass man sie fast zu schmecken glaubt. Ich will nicht aufhören, mich an den Farben zu berauschen. Dabei lese ich Verführungen wie „Orangen-Fenchel-Salat an Anisvinaigrette“ oder „Zimt-Safran-Huhn an Pistazienreis“. Mir läuft das Wasser im Mund zusammen. Am liebsten würde ich mir sofort die Schürze umbinden und loslegen. Es fasziniert mich, dass jeder in einem Kochbuch etwas Ansprechendes entdecken kann. Viele Autoren bereiten sich inzwischen die Mühe, auch dem neugierigen Anfänger das Reich des Genusses zu erschließen. Zu annähernd jedem Gericht erhält man nebenbei noch eine Geschichte, die von Herkunft und Besonderheit seiner Entstehung erzählt. Das einzelne Rezept wird einzigartig. So ein Buch finde ich eigentlich zu schade, um es in der Küche zu benutzen, wo es Ölspritzern und Wasserdampf ausgesetzt wird. Ich nehme das nächste Werk aus dem Karton. Es fühlt sich so vertraut und richtig an. Endlich bin ich verbunden mit dem, was ich tue.
Und nun trinke ich meinen ersten Kaffee im Cook & Chill. An meinem ersten Arbeitstag.
Zuerst denke ich an Einbildung. Ich höre Glocken läuten. Beinahe verschlucke ich mich an dem Espresso aus der neuen de Longhi. Aus dem Augenwinkel sehe ich Britta aufmerken und ihre Lektüre zur Seite legen. Meine Zunge brennt. Die kleine Schelle über der Tür bimmelt in der Tat. Ich bin nicht abergläubisch. Das Glöckchen behielt ich trotzdem.
Im Eingang steht ein altes Mütterchen. Ich setze mein strahlendstes Lächeln auf. Sie fragt nach „Äädäppeln“. Beflissen führe ich sie zur Rubrik „Vegetarisches“. Erst als sie mir ihren Stoffbeutel hinhält, dämmert es mir, dass sie tatsächlich Kartoffeln will. Und kein Buch darüber. Ich beiße mir auf die Lippen, um nicht laut herauszuplatzen. Dann erkläre ich der alten Frau ernst, man könne hier jetzt kein Gemüse mehr kaufen.
„Wir haben aber Suppe.“
Mütterchen nickt und ihre Stimme zittert:
„Suppe ist auch gut.“
Auf der Tageskarte steht heute eine Tomaten-Kokos-Suppe mit Limettenblättern. Ich fülle die sämige Flüssigkeit in ein Styropordöschen und schließe sanft den Deckel. Sie kostet so viel wie ein Kilo Kartoffeln. Weils Mütterchen ist. Ich begleite sie zur Tür. Meine rechte Hand ruht dabei fürsorglich auf ihrem Schulterblatt, während die Linke blitzschnell einen
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