Ausgerechnet Souffle'!
obligatorischen Hemd und Kochschürze in meiner Küche werkeln zu sehen und ihn herumkommandieren zu dürfen. Kommentarlos übrigens. Er meidet jegliche Reibung. Bis dato traute ich mich nicht, ein klärendes Gespräch zu suchen. Und er unternimmt nicht die geringsten Anstalten, mich auf die Kündigung oder gar die Hypothek anzusprechen. Als hätte er mich vor wenigen Tagen zum ersten Mal gesehen.
Frank starrt reichlich desinteressiert Löcher in die Luft und schaut alle fünf Minuten auf die Funkuhr an der Wand. Ich frage mich ernsthaft, was er hier will. Weder bringt er einen Funken Interesse noch Talent mit, um das angestrebte Ziel zu erlangen. Meiner Meinung nach gehört er vielmehr in einen Kurs für Pflanzenfreunde. Heute fotografierte er sein Gewächs sogar. Das beobachtete ich rein zufällig, weil er sich dabei so weit aus dem Fenster lehnte, sodass ich ihn schon mitsamt der teuren Kamera auf dem Pflaster liegen sah. Wenn er seinen Mitmenschen nur halb so viel Gefühl entgegen brächte, wie seinem Grünzeug, wäre Mutter Theresa eine vergleichsweise schwache Nummer in Nächstenliebe. Leider kann ich ihn nicht mal mit seinem Botanik-Tick aufziehen, um ihm die Gockelfedern zu stutzen. Dann flöge ich auf. Schließlich hat er keine Ahnung, wer ihm gegenüber wohnt. Und das würde ich auch gerne so belassen. F. Sander, der Nachbar, war ein netter Zeitvertreib, solange er Teil eines Traumbilds war. Frank Sander, der Kochschüler, ist einfach nur die peinliche Realität. Und beide zusammen sind meine mangelnde Urteilsfähigkeit in persona.
Meine Aufmerksamkeit sollte lieber den erfreulichen Personen in diesem Raum gehören. Julia widmet sich noch immer meiner japanischen Kostbarkeit. Sie behandelt das Messer wie ein rohes Ei. Ich nehme es ihr sanft aus den Fingern. Dabei fasse ich sie behutsam am Arm und sie sieht mich über den Brillenrand unsicher an.
„Ein wunderbares Instrument, nicht wahr? Möchtest Du damit arbeiten?“
Sie nickt, überrascht und geschmeichelt. Und ich bemerke, wie sie sich unbewusst aufrichtet und ein wenig größer wird.
Sascha pfeift. Ein Apfel fliegt mir entgegen. Er landet in meiner rechten Hand, die ich auf das Brett drücke. Vier präzise Schnitte, und das Kerngehäuse fällt in den Mülleimer. Ich demonstriere den richtigen Griff um den Holzschaft und die Hebelbewegung des Handgelenks. Meine Linke krallt sich in das erste Apfelstück. Die Fingernägel müssen steil auf die Fläche der Frucht treffen, wobei man die Handwurzel leicht nach vorne neigt. So bleiben die Finger vor versehentlichen Schnittverletzungen geschützt. Nun bewegt sich meine Rechte in einer Wiegebewegung auf und ab. Die Klinge gleitet widerstandslos durch das Fruchtfleisch und schneidet schmale Streifen aus der Apfelhälfte. Anschließend dasselbe, um neunzig Grad gedreht. Feine Würfel liegen auf dem Schneidebrett. Ich stelle den Gemüsekorb auf die Arbeitsplatte und mache eine einladende Geste.
„Legt los. Es gibt heute Minestrone. Wir brauchen jede Menge Gemüse!“
Julia schwitzt. Ungeschickt greift sie nach ihrer Kartoffel, die andauernd von der Platte glitscht. Die Hebelbewegung gelingt ihr nur halbwegs. Außerdem besitzt sie eine solche Hochachtung vor dem scharfen Werkzeug, dass sie nur zögerlich Druck auf den Griff ausübt. Die unwillige Knolle nutzt die Chance, ihr erneut zu entwischen. Julia schaut sich nervös um, sich vergewissernd, dass keiner ihre Unsicherheit bemerkt. Ich senke intuitiv den Nacken und registriere aus dem Augenwinkel, wie sie sich mit dem Handrücken über die nasse Stirn wischt. Beinahe hätte sie das Messer vergessen. Ihr Blick streift die verglaste Wand zum Buchladen. Man sieht durch den dunklen Raum hinweg bis zur Tür und zum großen Panoramafenster hinaus. Die Laterne malt ein Spotlight auf die verlassene Straße. In diesem Lichtkegel steht eine Gestalt und macht Julia unablässig Zeichen. Ich trete sacht zurück, um aus dem toten Winkel zu beobachten, was geschieht. Der kleine Mann lugt zum Fenster hinein. Und wenn ich mich nicht täusche, vollführt er soeben eine mir sehr bekannte Handbewegung. Er kippt die Rechte schräg zu sich hin und spreizt dabei den Daumen ab. Dann vollzieht diese eine gekonnte, saubere Wiegebewegung. Auf und ab. Tatsächlich. Ich bin platt. Ausgerechnet er zeigt Vögelchen, wie es geht. Sie dreht ihr Handgelenk, platziert den Daumen auf dem Messergriff – und schneidet die Kartoffel in exakte Scheiben. Als sie aufsieht, ist die Gestalt
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