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Ausgerechnet Souffle'!

Ausgerechnet Souffle'!

Titel: Ausgerechnet Souffle'! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Winter
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fällt mir die unheilvolle Stille im Raum auf. Einige Gäste sehen aus wie verschreckte Kaninchen und flüstern betroffen miteinander. Louise runzelt die Stirn und Linda, völlig untypisch, schweigt bestürzt. Ich schenke allen ein strahlendes, unschuldiges Lächeln.
    „Ist was?“
    Dieser Tag wird als einer der denkwürdigsten in der Geschichte des COOK & CHILL eingehen. Ich laufe mir die Füße wund, Sascha rinnt der Schweiß aus sämtlichen Poren. Wir verkaufen Mittagsgerichte in Sternenqualität in Kantinenquantität. Julius bereitete unter Motzen und Töpfegeschepper eine Pasta zu, die einem schlichtweg die Sprache raubt. Die Gäste guckten zuerst ängstlich zur Küche und dann verzückt in ihre Teller. Und ich möchte mir fortwährend selbst auf die Schulter klopfen, so sehr beglückwünsche ich mich insgeheim für meinen Geschäftssinn. Aus der Kochstube zieht ein Duft durchs Lokal, der nach Süditalien und Sommersonne riecht und mich animiert, eine Oper von Verdi aufzulegen. Während Pavarotti sein Meisterstück singt, trällert mein Gaumen vor Freude, als sonnengetrocknete Tomaten, fein gehobelter Parmesan und ein kniefallleckeres Pesto ihm schmeicheln.
     
    Pesto ist eine ungekochte Würzsauce, die im Mörser zu einer sämigen Paste verarbeitet wird und in der italienischen Küche meist zu Nudeln gereicht wird. Am bekanntesten ist Pesto alla Genovese. Es besteht aus jungem Basilikum, angerösteten Pinienkernen, Parmesan, Salz, Knoblauch und hochwertigem Olivenöl. Frisch zubereitet schmeckt es natürlich am besten, aber inzwischen stellen namhafte Hersteller die Paste in Gläsern als Fertigprodukt her. Diese Produkte kann ich durchaus empfehlen, man sollte allerdings darauf achten, dass ausschließlich reines Olivenöl verwendet wurde, was meist nur bei Bioprodukten der Fall ist. Das Pesto wird mit etwas Kochwasser verdünnt und unter die heiße Pasta gemischt.
     
    An diesem Nachmittag verkaufe ich ungefähr 12 Kochbücher aus der Rubrik Italien. Julius verkochte sage und schreibe zwanzig Kilogramm Nudeln. Louise sitzt an ihrem Stammplatz und lächelt nur. Heute schreibt sie Tagebuch, glaube ich. Ihre zittrigen Finger fliegen regelrecht über das Papier. Ich frage mich, ob ihre Texte auch von mir, von uns hier, handeln. Zwischendurch schiebt sie sich fast andächtig eine Gabel Rigatoni zwischen die faltigen Lippen. Ich meine, Erkennen in ihren alten Augen aufblitzen zu sehen. Als ich den Teller abräumen möchte, hält sie kurz meine Hand fest. Ihre fühlt sich feucht und kalt an. In der Küche geht Geschirr zu Bruch und Julius flucht. Louise zwinkert amüsiert.
    „Gut gemacht!“
     Dankbar erwidere ich den Druck der kühlen Finger und zwinkere zurück. Im Moment gibt es nur noch eines zu erledigen. Ich schnappe mir eine Schüssel mit den wundervollen Nudeln und mache mich auf den Weg zu Helga Krause, um ihr mitzuteilen, dass sie eine Art neuen Untermieter beherbergt.
    Auf mein enthusiastisches Klopfen hin öffnet sich ihre Tür einen Spalt und ein misstrauisches Augenpaar starrt mich und mein Mitbringsel an. Ihre Nasenflügel beben, ob aus Verachtung oder Begehrlichkeit, kann ich nur raten. Den Teller nimmt sie mir schneller ab, als sie wohl ursprünglich vorhatte. Meine frohe Botschaft quittiert sie mit einem knappen:
    „Nur über ming Leich´!“
    Im nächsten Augenblick schlägt die Tür auch schon vor meiner Nase zu. Der Teller samt Pasta bleibt natürlich drin. Das heißt dann vermutlich Nein. Achselzuckend trete ich den Rückzug an und finde mich mit damit ab, von merkwürdigem Volk umgeben zu sein.
     
    Mein derzeit größtes Problem, abgesehen von zänkischen Krähen und geschwätzigen Elstern, obdachlosen Sterneköchen, Bücher sortierenden Analphabeten oder liebenswürdigen Verrückten ist weitaus komplexer und trägt den Namen Frank Sander.
    Gestern Abend kochte er. Tatsächlich. Besagter Frank, der in der Küche nie einen Finger freiwillig rührt, sondern sich anstellt wie der erste Mensch vor einer Feuerstelle, generierte eine Mahlzeit, ohne irgendeine Tüte aufzureißen. Und zwar nicht Spaghetti mit Tomatensoße. Nein. Soweit ich erkennen konnte, bereitete er ohne Scheiß (man vergebe mir diese Ausdrucksweise) einen Schmorbraten zu. Nur um dies eingehend zu überprüfen, nahm ich mein Fernglas zu Hilfe. Faktisch betrachtet stellte er sich nicht mal ungeschickt an. Im Gegenteil. Die Füllung aus frischen Kräutern und krossem Speck war alles andere als Laienhandwerk. Dazu formte er

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