Ausgerechnet Souffle'!
Mensch? Hoffentlich ist ihm nichts passiert, oder gar dem Hund. Ich ertappe mich dabei, dass ich alibimäßig viel zu viele Zigaretten draußen rauchen gehe. Gerade überlege ich, mir die nächste Kippe anzuzünden, als Louise ihren Espresso bestellt. Also kehre ich der Tür trotzig den Rücken und mache mich an der Kaffeemaschine zu schaffen. Die alte Dame wirft mir einen ihrer bohrenden Blicke zu und spontan beschließe ich, meine Energien in eine andere, näher liegende Richtung zu kanalisieren. Ich setze mich ungefragt neben sie, als ich ihr die kleine, obligatorische Tasse hinstelle, und schiebe eine Schale Kekse in Reichweite herüber.
„Wie geht es Ihnen, Frau von Stetten?“
Louise nimmt gemächlich ihre Brille von der Nase und putzt sie mit einem edlen, paisleygemusterten Tuch. Sie gibt ein Löffelchen Rohrzucker in ihren Espresso und beginnt, zu rühren. Ihre Hände sind beinahe durchscheinend und von Altersflecken und einem fein gewebten Netz blau schimmernder Adern überzogen. Sie rührt lange. Dabei mustert sie mich schweigend, sodass mir ganz seltsam zumute wird.
„Ich habe keine Geschichte. Ich sitze nur hier.“
Umständlich packt sie ihre Geldbörse aus und entnimmt ihr einen Zwanzigeuroschein, den sie in das Geldkästchen mit ihrer Rechnung legt. Dann hält sie doch einen Moment inne. Ich muss sehr zerknirscht aussehen. Sie schaut zuerst mich nachdenklich an. Schließlich wandert ihr Blick nach draußen.
„Wenn du unbedingt eine Geschichte willst – so kann ich dir seine erzählen.“
Noch lange, nachdem Louise gegangen ist, verweile ich reglos an dem verlassenen Tisch und verdaue das Gehörte.
„Julius Zander“, murmele ich vor mich hin.
Der kleine Mann besitzt einen bürgerlichen Namen und ein vergessenes Leben.
Auf seiner Kochmütze prangten drei Sterne. Ich schlucke. Drei! Allein diese Tatsache an sich ist schon beeindruckend genug. Julius war das Aushängeschild eines verdammt bekannten, internationalen Hotels in München. Galt in den Achtzigern als der Maître de Cuisine seiner Generation, dem sowohl der Guide Michelin als auch diverse Fachzeitschriften huldigten. Bereits mit Zweiunddreißig leitete er die Gourmetküche mit insgesamt zwanzig Untergebenen. Darunter die besten Nachwuchsköche des Landes, die danach zur heutigen Oberliga aufstiegen. Man wartete Wochen auf einen begehrten Tisch, um bei dem sagenhaften Meister speisen zu dürfen. Louise von Stetten besaß das Vergnügen. Und zwar nicht nur einmal. Da sie nichts auf der Welt mehr liebt, als exquisites Essen, residierte sie oft als Gast in dem hochpreisigen Etablissement. Er erfand das Dämpfen im Einsatz und revolutionierte mit der Zugabe mediterraner Kräuter die bis dato eher fade deutsche, bürgerliche Küche. Jedem sind gefüllte Eier ein Begriff. Julius Zander machte den Retro-Klassiker unsterblich.
Er verschwand von einem Tag auf den anderen. Es schien, als hätte ihn jemand ausradiert, plötzlich wollte keiner in dem Hotel auch nur seinen Namen kennen. Man hörte im Gastronomiesektor deutschlandweit nie wieder von ihm, obwohl Louise sogar nach seinem Verbleib recherchierte. Erfolglos.
Und hier taucht er auf - im Cook & Chill, oder besser gesagt, davor. Im Hauseingang gegenüber nächtigt quasi eine Legende. Mir wird übel bei dem Gedanken, dass ich versuchte, ihn zu beeindrucken mit meinen - in seinen Augen sicherlich laienhaften - Kochkünsten. Oh je, ich blöde, selbstgerechte Kuh. Und Louise klopfte mir auf die Schulter und sagte allen Ernstes, ich solle es nicht so schwer nehmen.
Nicht so schwer nehmen?!
Ich könnte im Erdboden versinken.
Zanders gefüllte Eier:
Man nehme:
4 hart gekochte Eier,
200 gr. Frischkäse,
1 Teelöffel Dijon-Senf,
frische gehackte Kräuter,
2 Esslöffel Kapern,
Salz und Pfeffer.
Die Eier vorsichtig pellen, halbieren und das Eigelb mit dem Löffel herausnehmen. Das Eigelb mit dem Frischkäse, dem Senf und frischen Kräutern verrühren. Kapern abtropfen lassen, hacken und unter die Eimasse rühren, in einen Spritzbeutel mit Sterntülle füllen und die ausgehöhlten Eierhälften damit füllen. Mit Kapern und Kräuterzweiglein dekorieren. Fürs Büffet oder als kleine Beigabe zu typisch deutschen Gerichten.
Am frühen Abend sitzt Hund auf der Treppe. Da ich es im Lauf des Tages aufgab, ständig hinauszusehen, bemerke ich ihn erst, als ich die Stühle für Olga hochstelle. Ein fremder Mann winkt mir zu, und während ich mich frage, inwiefern er mir bekannt
Weitere Kostenlose Bücher