Ausgerechnet Souffle'!
vorkommt, wird mir gewahr, dass er es tatsächlich ist.
Julius Zander grinst mich an. Dabei entblößt er eine Reihe gelbfleckiger Zähne, auf deren Anblick ich gerne verzichtet hätte. Plötzlich zweifle ich an meinem Plan, der mir gestern als die glasklare Lösung schien. In meinem Magen rumort etwas und ich bekomme schwitzige Hände, weil mir schon wieder bewusst wird, dass ich einem Sternekoch eine simple Pasta Bolognese angeboten habe. Er sieht verändert aus. Ich registriere seine Rasur und das frische Hemd. Wenn mich nicht alles täuscht, trägt er auch Hosen und Schuhe, die ich noch nie an ihm gesehen habe. Die Sachen sind zwar nicht neu, aber sauber und heil. Seine Haare glänzen feucht und sind fast übertrieben ordentlich zurückgekämmt. Irgendwo muss es einen Ort geben, der ihm dazu verhilft, ein Mensch zu sein. Ein himmelweiter Unterschied. Ich trete aus der Tür, um Hund zu begrüßen, der an mir hochspringt.
„Na? Habt ihr Hunger?“ Angriff gilt bekanntermaßen als die beste Verteidigung. Und zum ersten Mal betritt der kleine Mann das Cook & Chill, ohne aufzufallen. Ich schließe den Laden, während Julius wie verloren am Tisch sitzt und mir zusieht. Er gibt die ganze Zeit nicht ein Wort von sich. Und ich weiß genauso wenig, wie und wo ich anfangen soll. Ich möchte ihn zusammenstauchen und mich gleichzeitig bei ihm entschuldigen, sorge mich jedoch, etwas falsch zu machen.
Stattdessen stelle ich wortlos einen Teller Kalbsragout vor ihn und gieße ihm ein Mineralwasser ein. Offenkundig hat er nicht getrunken, da ihn nicht die übliche Ethanolfahne umweht. Er isst schweigend und kommentarlos, was mich allerdings eher beunruhigt, da ich harsche Kritik an meinen Speisen gewohnt bin. Schließlich halte ich es nicht mehr aus.
„Sie hätten ruhig mal was sagen können, anstatt mich auflaufen zu lassen, Herr Julius Zander. Und sich dann verdrücken nach dem Riesentamtam!“
Das klang unfreundlicher, als beabsichtigt.
„Sind wir jetzt per Sie?“
Er nimmt noch eine Gabel und wischt sich den Mund am Tischtuch ab. Ha! Also doch keine Manieren, von wegen hässliches Entlein wird zum schönen Schwan, haha. Märchenstunde für Arme. Da hilft auch kein heißes Bad in irgendeiner Sozialstelle.
Julius denkt nach. Ich sehe es ihm förmlich an. Er öffnet die Lippen und schließt sie wieder. Und schließlich sagt er langsam und sichtlich beherrscht:
„Ich schulde niemandem Rechenschaft darüber, wer und was ich warum bin. Das ist allein meine Angelegenheit, über die ich nicht reden werde. Ich bin grad´ nüchtern, so nutz´ die Gelegenheit, mir zu sagen, was du loswerden willst. Wenn du dann fertig bist, hab´ ich ein Angebot für dich.“
Noch einmal putzt er sich die Essensreste mit meiner teuren Leinentischdecke vom Kinn und murrt:
„Das Ragout ist total verkocht. Wird Zeit, dass hier einer seine Sache richtig macht.“
Das war deutlich. Kann ich auch.
„Ich habe nie Rechenschaft von dir verlangt. Und ich habe ebenfalls ein Angebot für dich.“
Den Deal besiegeln wir mit Handschlag. Julius kocht den Mittagstisch im Cook & Chill, und dies täglich. Er bekommt einen Anteil an den Einnahmen für das Mittagessen und freie Verpflegung. Alkohol ist im Dienst verboten. Dafür soll er sauber und in ordentlicher Kleidung erscheinen und in Zukunft nicht mehr im Hauseingang rumlungern. Er darf die kleine Mansarde benutzen, die zum Ladenlokal gehört, um zu duschen und bestimmt findet sich eine Matratze als Schlafgelegenheit. Den Ärger mit Frau Krause nehme ich in Kauf. Glaube ich jedenfalls. Julius braucht eine Chance, um die er nie bitten würde. Und ich werde sie ihm geben. Zu meinen Konditionen und aus rein wirtschaftlichem Interesse. Auch wenn ich mich seltsam gut dabei fühle. Darüber hinaus mische ich mich nicht in sein Leben ein. Seine einzige Bedingung.
Ich werfe eine Serviette in Julius´ Schoß. Mit verschränkten Armen mustert er mich, ohne eine Miene zu verziehen.
„Übrigens, und betrachte das als meine erste Dienstanweisung: Du isst zum letzten Mal mit diesen Manieren an meinem Tisch. Entweder zeigst Du etwas Anstand oder Du nimmst das Personalessen zukünftig in der Küche ein.“
Hund wedelt mit dem Schwanz und himmelt mich an. Wenigstens das Tier hat verstanden, was ich meine.
16. Kaffeeklatsch
Pünktlich um zehn Uhr morgens tritt Julius Zander seinen Dienst an. Schlecht gelaunt wie immer. Er schlurft an Sascha vorbei, schnurstracks in die Küche und schlägt die
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