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Ausgerechnet Souffle'!

Ausgerechnet Souffle'!

Titel: Ausgerechnet Souffle'! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C Winter
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ein, ohne einen weiteren Blick darauf zu werfen.
     
    „Wie geht es deiner Frau und den Kindern? Und dem Kamel? Alle wohlauf?“
    Er nickt schweigend, lächelt höflich und träufelt andächtig goldenen Honig in seinen Tee. Der herbe Duft des Assams steigt aus seiner Tasse auf, den er begierig und mit verzückter Miene einatmet. Diese Perser süppeln Tee, wie unsereins einen alten, verdammt teuren Wein. Er trägt wie immer einen abgetragenen, sauberen Anzug und ein weißes Hemd, das sich strahlend von seiner dunklen Haut abhebt. Er riecht süßlich und scharf nach schweißigem Leder und orientalischer Würze. Ein bisschen erinnert er mich tatsächlich an einen Teppichhändler. Einen von der Sorte, die dir zwinkernd einen fliegenden Berber verkaufen, weil du etwas Besonderes möchtest. Sein Gesicht sieht entspannt, wenn auch müde aus. Er umschließt die Trinkschale beidhändig und ich bemerke die gelben Ränder seiner Fingernägel.
    „Safran.“
    Selbst bei geschlossenen Augen liest er meine Gedanken.
    „Was? Ach so. Ja.“
    Natürlich. Die Königin der Gewürze wird vornehmlich im Iran angebaut. Selbstredend, dass seine Frau vermutlich die köstlichsten Gerichte mit dem edlen Kraut auf den Tisch bringt.
     
    Safran ist eine Krokus-Art, aus deren Stempelfäden das gleichnamige Gewürz gewonnen wird. Um ein Kilogramm zu gewinnen, werden bis zu 150.000 Blüten von Hand gepflückt, wobei ein erfahrener Arbeiter 60 bis 80 Gramm am Tag schafft. Der Safrankrokus blüht nur einmal im Jahr für zwei Wochen. Deshalb zählt Safran zu den teuersten Gewürzen der Welt. Im Handel zahlt man zwischen 4 und 14 Euro pro Gramm. Safran schmeckt bitter-scharf und die darin enthaltenen Karotinoide sind dafür verantwortlich, dass sich die gewürzten Speisen intensiv goldgelb färben.
     
    „Meine Soraya kocht Hausmannskost. Safranhuhn mit Berberitzenreis“, erklärt er.
    Unter Hausmannskost verstehe ich in meinem Kulturkreis eher Kasseler mit Sauerkraut. Oder Blutwurst mit Apfelmus und Kartoffelpüree.
    „Erzähl mir von deinem Land und deiner Küche, Baabak.“
     
    Das ehemalige Persien bezeichnet den heutigen Iran. Der Iran war immer eine Drehscheibe des Handels zwischen Ost und West, sämtliche Linien der orientalischen Tradition führen durch dieses Land. Man verbindet mit Persien üppige Vielfalt, Paläste und Märchen aus tausendundeiner Nacht. Die Frauen tragen bunte Gewänder in kräftigen Farben und riechen nach Sandelholz und Ziegen. Iranische Essgewohnheiten spiegeln die Pracht der Höfe, die rustikalen Dörfer und die städtische Bürgerlichkeit wieder. Es finden sich asiatische, arabische und mediterrane Einflüsse, vorangetrieben mittels Einwanderung und Eroberung. Ob Alexander der Große oder die Mongolen in das Land einfielen, zu allen Zeiten führte die Seidenstraße unbeirrt ihre Karawanen durch die iranischen Steppen und Gebirge und mit ihr zogen Gewürze, Früchte, Wein und Reis. Die persische Küche selbst ist eine grundehrliche Küche. Sie geht sparsam mit Würze um und der häufig verwendete Basmati-Reis ist nicht klebrig, sondern duftig locker und besitzt eine knusprig goldene Kruste. Eine Vorliebe für Scharfes hat sie nicht, sie mag es fruchtig-süß und salzig-sauer und sie behält sich vor, mit eher wenig Zutaten auszukommen. Das Geheimnis des unvergleichlichen Geschmacks ist, dass die Gerichte stundenlang auf kleiner Flamme gekocht werden, bis die Aromen der Gewürze die Ingredienzien ganz und gar durchdrungen haben. Hauptzutaten sind Reis, Trockenfrüchte, Lamm, Ziege, Rind und Huhn, persische Kräuter, Safran, Kurkuma, Zimt, Kardamom, Nüsse, Joghurt und Butterfett.
     
    Draußen senkt sich die Dunkelheit über die Straßen. Sascha lässt ratternd die Jalousien herunter und schließt den Laden. Alle sind gegangen, Kunden und Gäste. Mein Körper lehnt an der Theke, doch mein Geist schaukelt irgendwo im Wüstensand auf einem riesigen Kamel dahin. Ich bin völlig weggetreten. Baabak hat seinen Tee ausgetrunken. Eine Weile leistet er meinem Schweigen stille Gesellschaft. Unsere Blicke treffen sich über den Tisch. Unvermittelt erhebt er sich und nimmt seinen Mantel. Geistesgegenwärtig hindere ich seine Tasse daran, umzukippen, als er vor lauter Eile versehentlich an das Tischbein stößt.
    „Ich bringe dir Persien“, sagt er und lächelt geheimnisvoll.
    Noch ehe ich nachfragen kann, wie er das meint, ist er schon auf seinen imaginären fliegenden Berber gesprungen und in der Dämmerung verschwunden.

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