Ausgerechnet Souffle'!
Kölschen Dialekt. Zum ersten Mal vernehme ich reines Hochdeutsch aus ihrem Mund.
In der Küche ist es totenstill. Ich nicke knapp. Julius murmelt leise in sein Gulasch. Keiner der beiden sieht das zufriedene Lächeln auf meinem Gesicht, als die Tür hinter mir zu schwingt.
Im Laden bimmelt mein Glöckchen wie verrückt und zeigt kreischend auf den Fahrradkurier, der etwas verloren im Raum von einem Bein auf das andere tritt. Kein Mensch kümmert sich um ihn. Da ich gerade in Fahrt bin, nehme ich mir vor, Sascha gleich auch noch rund zu machen, da ich ihn nirgendwo entdecken kann. Wehe, er schmust mit Julia heimlich zwischen irgendwelchen Regalen rum.
Nicht zum ersten Mal landen die Zustellungen für das Reisebüro von nebenan bei mir. Die nette Reisekauffrau trinkt ihren Kaffee lieber im Cook & Chill, als an ihrem Schreibtisch. Doch heute scheint der junge Mann in den knackigen Radlerhosen der Empfängerin seiner Sendung nicht fündig zu werden.
„Katharina Lehner?“, ruft er schließlich schüchtern.
Nur unwillig löse ich den Blick von seinem Hinterteil.
„Ja, ich bin das.“
Verwundert drehe ich das Päckchen in den Händen. Ohne Absender.
Das Blut schießt mir in die Wangen, als ich die Abzüge meiner Bilder samt Negativen aus der Verpackung ziehe. Eines zeigt meine Wenigkeit unschmeichelhaft mit vollen Backen und aus dem Mund hängenden Spaghetti. Darüber hat Felix mit einem schwarzen Filzstift etwas geschrieben. Mit zusammengekniffenen Augen lese ich die schwungvolle Schrift: „Abendessen um acht?“
*
Um neunzehn Uhr löse ich meine Armbanduhr von meinem Handgelenk und lege sie auf den blank polierten, leeren Schreibtisch. Dort liegt sie wie ein totes Tier, das ich aus rein wissenschaftlichem Interesse betrachte. Meine Überlegung geht dahin, dass mit der Erfindung der Uhrzeit das Unheil der Menschen eigentlich erst begann. Wörter wie zu früh oder zu spät dienen lediglich dazu, unsereins das Leben zu erschweren und einem jegliche Spontaneität zu rauben. Dabei kann man sich auf Uhren nicht einmal verlassen, sondern ist deren Willkür ausgeliefert. Ein Zeitmessgerät verfährt mit dem Tag nach Belieben. Freizeit wird spürbar verkürzt und der Arbeitstag verlängert, weil sich Stunden endloser ziehen als Momente. Weiterhin impliziert der Begriff „Zeitmanagement“ künstlichen Stress, welcher wiederum im schlimmsten Fall ursächlich für psychische Krankheiten ist. In meiner konkreten Sache führt die Existenz der Stunde zwanzig zu dem unbestimmten Gefühl, einen Fehler zu machen, wenn sie vorübergeht. Den ich trotzig zu ignorieren gedenke. So einfach wird Felix Sander nicht davonkommen. Oder ich, wie man es nimmt.
Ironischer weise genau um acht Uhr werden meine Schüler zu ihrem Kochkurs kommen. Tief durchatmend greife ich nach meinem Buchhaltungsordner und zwinge mich dazu, der widerspenstigen Zahlenlandschaft auf dem Blatt bis dahin meine ungeteilte Aufmerksamkeit zu schenken.
22. Ein Bett aus Safran
Safran galt bereits in der Antike als Luxusartikel. Von Zeus wird aus der griechischen Mythologie berichtet, dass er auf einem Bett aus Safran ruhte. Die Phönizier verwendeten Safran als Heil- und Gewürzmittel. Reiche Römer streuten Safranfäden auf ihre Hochzeitsbetten – möglicherweise erklärt sich daher der lateinische Spruch: „dormivit in sacco croci“ (schlaf in einem Safranbett), womit ein Zustand unbeschwerter Freude gemeint ist. Noch heute ist es in Indien Brauch, den Hochzeitschleier mit Safran gelb zu färben. Sogar in einer der ältesten Schriften der Menschheit wird das Gewürz erwähnt – in Salomons Hohelied der Liebe.
Es klopft leise. In der Tür steht eine Person, die ich am allerwenigsten erwartet hätte.
„Baabak!!!“
Er hält mich lachend auf Armeslänge von sich, ein wenig verlegen ob meiner stürmischen Begrüßung.
„Du bist nicht nass“, stellt er wohlwollend fest und lässt mich los.
„Nein, hier drinnen regnet es heute nicht“, grinse ich und drohe mit dem Finger, „wo hast du bloß so lange gesteckt?“
Baabak macht eine vage Handbewegung, die das ganze Universum erfassen könnte. Er schüttelt nur den Kopf und hebt die Schultern. Sein fliegender Teppich reist von überall nach nirgendwo.
„Komm, wir trinken Tee.“
Ich freue mich über die Gelegenheit, den ungebärdigen Ziffern auf meinem Schreibtisch zu entkommen, die sowieso nie das tun, was ich will. Sorgfältig schließe ich meine Armbanduhr in der Schublade
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