Ausgerechnet Souffle'!
weil ich weiß, was dieser Moment für ihn bedeuten mag.
„Ich werde Vater.“
Ich fange glatt an, zu heulen.
Weit nach Mitternacht stecke ich meinen Hausschlüssel ins Schloss. Da ich schon reichlich angeschickert bin, nachdem wir noch etliche Gläser auf Johannes und Lindas Wohl getrunken haben, bereitet mir dies durchaus etwas Mühe. Immerhin habe ich mich im Laufe des Abends gefasst. Unter meinen Sohlen knistert Papier. Schwankend beuge ich mich zu meiner Fußmatte hinunter und halte einen Umschlag in den Händen. Ohne Absender. Natürlich. Mein Herz klopft mir bis zum Hals. Die Wohnung dreht sich ein bisschen, als ich eintrete. Ahnungsvoll ziehe ich ein gelbes Blatt aus dem Kuvert hervor, das ein klitzeklein wenig vor meinen Augen verschwimmt.
„Frühstück um acht?“
Ich beschließe spontan, morgen ausnahmsweise so richtig auszuschlafen und tapse ins Bad, um im Schränkchen nach Schlaftabletten zu suchen. Selbst wenn meine seelische Verfassung gegenwärtig etwas zart besaitet daherkommt, mein Schlaf ist hervorragend. Aber Vorsicht ist schließlich besser als Nachsicht.
23. Frühstück um acht?
Pünktlich um zehn klingelt mein Wecker. Obwohl ich bereits seit Stunden wach liege, weigere ich mich trotzig, das Bett zu verlassen. Ich grüble ernsthaft darüber nach, warum der Sandmann mich derzeit nicht leiden kann. Dummerweise muss ich gestern im Suff nach den falschen Tabletten gegriffen haben. Nun habe ich zwar die doppelte Menge Kalzium intus, was beileibe nicht schadet. Das Zeug soll ja gut für die Knochen sein. Aber an Schlaf war bis gegen vier Uhr nicht zu denken. Aufgewacht bin ich um sieben.
Ein schöner, heißer Milchkaffee ist morgens unverzichtbar. Meinen batteriebetriebenen Cappuccinoschäumer betätige ich heute äußerst konzentriert und schlage die Milch sorgfältig und ausgiebig. Mit dem Ergebnis, dass sie zu Butter gerinnt. Beim zweiten Anlauf versuche ich es weniger beflissen. Den Espresso gieße ich anschließend in ein großes, extra dafür vorgesehenes Glas und lasse den Milchschaum gemächlich an einem Löffel am Rand hineinlaufen. Der perfekte Latte Macchiato besteht aus drei verschiedenfarbigen Schichten.
Ich habe noch nie so lange gebraucht, um mir einen Kaffee zu machen. Da ich nun nichts mehr zu tun finde, um den Blick nach dem Nachbarhaus zu verzögern, ziehe ich erst jetzt den Vorhang meines Küchenfensters beiseite. Beinahe verschütte ich das kostbare Getränk. Drüben hängt ein Plakat im Fenster.
„Mittagessen um eins?“
Ich fasse es nicht. Felix Sander steht da im Muskelshirt und winkt lächelnd herüber. Der Kerl ist nicht zu erschüttern. Ich verkneife mir ein Gefühl des Respekts angesichts derartig enormer Hartnäckigkeit. Grimmig zerre ich die Gardine wieder zu.
*
Die personifizierte Peinlichkeit sind Paare, die sich nach außen hin bei jeder Gelegenheit als solche zu erkennen geben. Das fängt bei haltlosem, öffentlichem Knutschen an und endet beim Partnerlook. Die Affinität zum Tragen der gleichen Kleidung ist ein kompliziertes tiefenpsychologisches Paarphänomen, dem ich in meiner bisherigen Beziehungsgeschichte persönlich nie auf den Grund gehen wollte. Davon abgesehen fehlte es mir bislang am passenden Anlass. Dies meist entweder mangels Partner, inkompatibler Konfektionsgröße oder weil ich mich nie dazu durchringen konnte, mir ein Fußballtrikot zuzulegen. Es liegt mir nicht, „Schiri, wir wissen, wo dein Auto steht“ zu grölen. Ich bezeichne mich eher als einen Kölle-Alaaf-Typ.
Neulich wartete ich an meiner U-Bahn-Station auf die Linie 4. Auf der gegenüberliegenden Plattform fiel mir ein Studentenpaar vor allem deshalb auf, da beide einen abartig hässlichen Wollschal trugen. Und zwar den gleichen. Nennen wir sie der Einfachheit halber Paula und Peter. Auf Anhieb zwei Menschen mit derselben Geschmacksverfehlung zu sehen, war ebenso faszinierend als auch beängstigend. Das scheußliche Textil mit seinem Alte-Leute-Duft schlang sich mit seinem kackbraunen Karomuster um die schlanken Hälse wie eine aufdringliche Viper. Ich erwischte mich bei der Überlegung, ob er seine blind machende Hässlichkeit benutzt hatte, um aus dem Wühltisch des Eineuroshops raus zu kommen, in dem er vermutlich bereits seit den Achtzigern ausharrte und die Hänseleien der anderen Schals und Tücher ertrug. Fast bekam ich selbst schon Mitleid. Interessanterweise vermutete ich eine intime Bindung zwischen Paula und Peter, die nebeneinander
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