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Ausgerockt - [Roman]

Ausgerockt - [Roman]

Titel: Ausgerockt - [Roman]
Autoren: FUEGO
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würde ich einen Musiksender gründen. Es gibt nämlich keinen. Die drei Buchstaben MTV sind ein Relikt aus vergangenen Zeiten. Genau wie bei der SPD. Man ist zu feige, die Packung nach dem Inhalt zu benennen.«
    Linus lachte und schwieg. Wenn man Holger reden ließ, konnte das epische Ausmaße annehmen, aber es wurde dabei nicht langweilig. Mal vertrat er wirre Thesen, dann wieder traten durchaus kluge Analysen zutage. Manchmal gab er sich mit der Welt scheinbar versöhnlich, nur um sich gleich darauf in paranoiden Kaskaden zu verlieren.
    Von Menschen, die ihn nicht kannten, wurde das meistens als unangenehm empfunden. Linus hingegen hatte nicht selten Lust, mit Holger zu debattieren, doch an diesem Nachmittag begnügte er sich mit der Rolle eines manchmal lächelnden, manchmal verbissenen, mal belustigten und mal genervten Zuhörers und Stichwortgebers.
    Nach knapp zwei Stunden verließen sie Achims Beckshaus. Den restlichen Nachmittag bummelten sie wortlos durch Einkaufspassagen und Galerien, sahen sich Dinge an, die sie sich nicht leisten konnten, und erklärten sich gegenseitig, dass sie all diese Dinge auch nicht brauchten.
    Dabei dachte Linus, dass er zumindest eine neue Hose und neue Schuhe gebrauchen konnte. Seit einiger Zeit mochte er kaum noch Geld ausgeben, weil er nur über einen geerbten Betrag verfügte, der sich im Laufe der Jahre ausschließlich in eine Richtung verändert hatte. Er wurde kleiner.
    Nach Hannahs Tod hatten Linus und Mark zu ungleichen Teilen geerbt. Hannah hatte verfügt, dass das Haus verkauft wurde und der Erlös zu einem größeren Teil ihrem leiblichen Sohn und zu einem etwas geringeren Teil Linus zugesprochen wurde.
    Mark war gerade noch rechtzeitig zur Beerdigung aus den Vereinigten Staaten eingetroffen.
    Es war ein bewölkter Sommertag. Nicht viele Leute hatten den Weg auf den Friedhof gefunden, um Hannah die letzte Ehre zu erweisen. Mark kniete vor ihrem Grab, mit zusammengebissenen Zähnen, raufte sich die Haare und weinte. Linus hockte sich neben ihn und legte ihm die Hand auf die Schulter, um Trost zu spenden, aber Mark schlug sie weg. Am folgenden Tag entschuldigte er sich dafür.
    Eine Woche später ließen sie sich von einem Notar das Testament erläutern. Danach beauftragte Mark einen Makler, der sich sofort an die Arbeit machte, das Haus zum Verkauf anzubieten. Währenddessen durchwühlte Mark tagelang die Besitztümer seiner Mutter und füllte einen großen Karton mit Erinnerungen und Wertsachen, den er mit UPS zu Cathy nach Vermont schickte. Nur wenige Tage später musste er dem Karton nachreisen.
    »Ich muss zurück, muss ja wieder arbeiten gehen«, sagte er. »Du kannst dir nehmen, was du willst. Vielleicht holst du die Arbeiterwohlfahrt oder machst einen Hausflohmarkt oder beauftragst ein Entrümpeltungsunternehmen. Wir können das gut von dem Geld für das Haus zahlen.«
    Linus machte es in genau dieser Reihenfolge. Nachdem er sich ein paar Besitztümer zu Seite geschafft hatte, ließ er ein Hilfswerk kommen und sich bedienen. Sie waren vor allem an Möbeln und Kleidern interessiert. Der anschließende Hausflohmarkt brachte nicht den gewünschten Erfolg. Nur wenige Interessierte schlenderten durch das Haus, und kaum einer kaufte etwas. Einen zweiten Termin ließ Linus ausfallen, weil er es unwürdig fand, wie herablassend die Leute auf Hannahs Hab und Gut reagiert hatten.
    Es kam dann schnell zu einem Verkauf.
    Das Haus brachte einhundertneunzigtausend D-Mark. Davon gingen einhundertsiebentausend an Mark, dreiundachtzigtausend wurden für ein halbes Jahr auf einem Treuhandkonto geparkt und Linus mit Erreichen der Volljährigkeit ausgezahlt.
    Er zog in eine kleine Wohnung und begann eine Ausbildung. Allem, was er durchmachte, versuchte er etwas Positives abzugewinnen. Und sei es nur die Gewissheit, dass er es irgendwann zu einem guten Song verarbeiten würde. Die meisten seiner Songtexte beschäftigten sich mit Einsamkeit.
    Draußen war es bereits dunkel.
    Linus und Holger durchquerten die Lloyd-Passage, an deren Ende ein Straßenmusiker-Duett spielte. Geige und Cello hallten durch den Gang. Die Instrumente waren alt und abgewetzt. Umso beeindruckender, was die beiden Männer damit anstellen, dachte Linus, während sie sich ihnen näherten. Es war eine beeindruckende musikalische Vorstellung.
    Ein paar Leute waren stehengeblieben und hatten einen Halbkreis um die Musiker gebildet. In einem zurückliegenden Hauseingang tummelte sich eine Handvoll junger Punks. Sie
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