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Ausgerockt - [Roman]

Ausgerockt - [Roman]

Titel: Ausgerockt - [Roman] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: FUEGO
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tranken Bier und wippten mit den Köpfen zur klassischen Musik.
    Linus tippte Holger an und sagte: »Die können aber mal spielen.«
    Holger schien mit seinen Gedanken abwesend zu sein. Doch nach einigen Sekunden nickte er bedächtig.
    Später einmal würde Linus sich an diesen Moment zurückerinnern. Ihm würde klar werden, dass Holgers Veränderung an diesem Tag, in dieser Passage, begonnen hatte.
    »Guck dir den Hut an. Nix drin«, sagte Holger. »Ein paar Cent vielleicht.«
    »Die nehmen immer wieder was raus, damit die Leute Mitleid haben«, erwiderte Linus.
    »Aber viel kriegen die trotzdem nicht zusammen.«
    Linus zuckte mit den Schultern. Er wollte weitergehen, doch ihm fiel auf, dass Holger abwechselnd die Musiker und die vordere Reihe der Zuhörer beobachtete.
    Regungen zuckten über sein Gesicht wie Wetterleuchten in der Dunkelheit. Sein ganzer Körper sah angespannt aus. Linus wusste nicht, warum, aber er hatte das dringende Bedürfnis, weiterzugehen.
    Doch schon streckte Holger seine Hände in die Höhe und rief lauthals: »Richtig so! HERRSCHAFTEN! Unterstützen wir doch die wirklich guten Musiker!«
    Einige Passanten wurden aufmerksam, andere stahlen sich in Befürchtung einer peinlichen Entwicklung davon. Eine berechtigte Furcht, fand Linus, schließlich gab es in der Stadt immer mehr Verrückte.
    Auch die beiden Musiker sahen besorgt aus. Verstanden sie überhaupt, was Holger sagte?
    »HERRSCHAFTEN! Zeigen wir doch hier, dass wir diese zwei exzellenten Musiker den üblichen Castingpüppchen vorziehen.«
    Holger war neben die Musiker gerückt. Ein unbestellter Anwalt mit einem Tonfall, so roh und zerkratzt wie bei der Order einer letzten Thekenrunde. »Wussten sie, dass Popstar in Deutschland neuerdings ein anerkannter Ausbildungsberuf ist?«
    Der Klang seiner Stimme wurde etwas verträglicher, so als öle sie sich selbst, wenn er sie nur laut genug einsetzte. »HERRSCHAFTEN, ich dachte immer, Popstar sei ein Zustand! Populär und Star, das sind Begriffe, die letztendlich einen Zustand beschreiben. Arme Wurst beschreibt auch einen Zustand. Es ist vollkommen egal, wie der Zustand erreicht wurde. Arme Wurst ist arme Wurst.«
    Während Holger sprach, benutzte er die Hände, zeigte auf Passanten, erhob einen Finger oder rieb sich die Hände, und das an durchaus passenden Stellen.
    Linus fand, dass es beinahe professionell aussah, was sein Freund da veranstaltete.
    »Industriemechaniker«, fuhr Holger fort, »ist der Begriff für ein genau definiertes Berufsbild. Meine HERRschaften, das gibt es in Deutschland jetzt auch für den Beruf des Popstars. Mama, ich will Popstar werden. Sie glauben, durch diese Castings könnte jeder Popstar werden? Nahahahahein. Genau das verhindern sie in Wirklichkeit, denn sie begrenzen die Vielfalt unserer Geschmäcker. Schleichend, wie eine heimtückische Krankheit.«
    »Yeah!«, rief einer der herumsitzenden Punks.
    Holger ließ sich nicht davon beeindrucken.
    »Und während wir uns den Schrott reinziehen, stehen diese beiden Männer hier in der Kälte und spielen sich die Finger warm. Ich meine, die beiden hier, sie sind es, die auf der Bühne stehen sollten, nicht irgend eine Castingband. Die Zwanzig-Uhr-Vorstellung gebührt IHNEN hier.«
    Holger zeigte mit zwei ausgestreckten Armen auf die Musiker.
    »Yeah!«, rief der Punk wieder. »Yeah!« Und dann rief er: »Absoluuut! So läuft’s doch! Wir sind das Volk!«
    Eine Weile machte keiner der umstehenden Passanten eine Bewegung, während der Menschenstrom dahinter ungerührt weiterfloss.
    Da begann ein älterer Herr mit Hut zögerlich zu klatschen. Und die Punks klatschten mit. Schon fielen zwei Frauen mittleren Alters mit ein, dann die beiden Musiker, die scheinbar kein Wort verstanden hatten, und schließlich applaudierten die meisten der Zuhörer. Linus machte große Augen, Holger sah ihn verwirrt an und kratzte sich an der rechten Schläfe.
    Zögernd schloss Linus sich dem Applaus an.
    Holger ließ das Kopfkratzen sein und machte eine abwehrende Geste: »Seien Sie nicht albern. Ich bitte Sie.«
    Eine kurze Weile blieben die Leute noch stehen, nachdem der Applaus verstummt war. Vielleicht erwarteten sie noch etwas. Sie konnten ja nicht wissen, dass Holger sein Pulver bereits verschossen hatte.
    Er stand bloß da, offensichtlich überwältigt von der Wirkung seiner spontanen Rede und kratzte sich wieder an der rechten Schläfe.
    Als sich einige seiner Zuhörer schließlich abwandten und gingen, hallte seine Stimme

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