Ausgerockt - [Roman]
der Gebäudereihe um das Alsterhaus.
Er stand auf, ging eine paar Schritte ans Wasser und entdeckte zwei Schwäne, die feine Risse in die Wasseroberfläche schwommen, welche hinter ihnen auseinanderströmten, bis sie sich schließlich auflösten. Die Schwäne waren ungefähr gleich groß. Das Männchen reckte seinen Hals in die Luft.
Linus dachte daran, wie er mit Jana auf der Teerhofbrücke gestanden hatte, Rücken an Rücken, und er den Kopf gestreckt hatte, um größer zu wirken.
Der männliche Schwan ist unmerklich kleiner als der weibliche. Sie schwimmen eine Weile nebeneinander auf der Alster. Bald schwimmen sie in Kanalisationen und im Nichtschwimmerbecken eines Hallenbades.
Linus kennt das Hallenbad. Er kennt es aus Kindertagen. Und den Graben hinter der Grundschule, in dem die Schwäne auf Schlamm und Moos schwimmen, kennt er auch.
Er sitzt neben der Badewanne in seiner Mietwohnung in Bremen. Der weibliche Schwan schwimmt in der Wanne und redet unaufhörlich, der männliche Schwan ist kaum noch zu sehen, gibt nur noch dünne Laute von sich. Er ist ganz klein geworden, seine Stimmbänder sind proportional zu seiner Körpergröße geschrumpft, sodass er kaum noch in der Lage ist, Töne hervorzubringen, die ein menschliches Ohr wahrnehmen kann. Bald ist er gar nicht mehr zu hören und schließlich kann Linus ihn auch nicht mehr sehen.
Sein Blick forscht immer wieder in der kleinen Wanne, als gäbe es Ecken, in denen er sich verstecken könnte, aber die gibt es nicht.
Linus fragt den weiblichen Schwan, wo der männliche ist und sie antwortet, er sei doch da, und er fragt, wo, und sie sieht sich um, reckt ihren schönen langen Hals und bemerkt erst jetzt, dass er nicht mehr zu sehen ist.
Sie spricht mit Janas Stimme und sagt, sie wisse nicht, wo er sei. Und dann spricht sie mit Hannahs Stimme und sagt, er müsse nicht sie fragen, wo der andere sei.
Und dabei zuckt sie immer und schwimmt unruhig in der Wanne umher, als würde etwas in ihrem Federkleid sitzen und sie zwicken.
Als Linus erwachte, blickte er auf die Rückseite des Vordersitzes. Die Scheiben waren von innen beschlagen, feine Tropfen rannen an der Heckscheibe herab.
Im ersten Moment fühlte er sich ausgeschlafen.
Er hatte die Nacht zwar nicht im Vier Jahreszeiten verbracht, aber doch immerhin davor.
Er stieg aus und lief ein paar hundert Meter und wenige Straßen weiter, bis er zur Mönckebergstraße kam. Die Geschäfte hatten geschlossen, es war Sonntag. Ein Straßenräumdienst beseitigte die Spuren der Nacht.
Linus frühstückte bei einem Bäcker, lief zurück zum Wagen und fuhr los. Schnell fand er den Weg aus der Stadt.
Erst als er wieder die Elbbrücken passierte und Hamburg im Rückspiegel allmählich kleiner wurde, kam das Gefühl zurück, wegen dem er hierher geflohen war. Es war noch in Bremen. Es wartete dort auf ihn. Und er ahnte, dass es ihm früher oder später auch nach Hamburg gefolgt wäre.
Die gesamte Fahrt über redete er sich gut zu, er müsse vernünftig sein, Montag den Laden aufschließen und der beste musikalische Berater und Gastgeber in ganz Bremen werden, doch sobald er an Jana dachte, fühlte er sich wieder schlecht und jede Motivation war dahin.
Ihm fiel ein, dass er in der Nacht sein Handy ausgeschaltet hatte. Vielleicht hatte sie ja versucht, ihn zu erreichen. Er verspürte Hoffnung, natürlich, das konnte er auch.
Er gab seine PIN ein und wartete darauf, dass das Telefon den Betriebszustand erreichte.
Anschließend gestand er dem Telefon natürlich noch einen Moment zu, denn in der Regel konnte es etwas dauern, bis der Server vom Satelliten die Meldung erhielt, dass er wieder im Netz war, und der Server seinerseits die ihm bestimmten Nachrichten zustellte. Natürlich, das konnte dauern.
Als nach zehn Minuten immer noch keine Nachricht eingegangen war, erinnerte Linus sich daran, dass es einmal vorgekommen war, dass er eine Kurznachricht von Brunssen erst zwei Stunden nach Einschalten seines Telefons erhalten hatte, obwohl Brunssen sie schon am Vortag abgeschickt hatte.
Nach fünfzehn Minuten piepte es tatsächlich. Linus fuhr auf einen Parkplatz, ließ den Motor laufen und kurbelte das Fenster runter, bevor er auf sein Handy sah.
Die Nachricht stammte von Holger:
Sorry, dass ich nicht bei deiner sache dabei sein konnte. Hab momentan viel umme ohren. Du wirst von mir hören, auch wenn ich nichts von dir höre. Ich plane was großes.
Linus schleuderte das Handy auf den Rücksitz, legte den Gang ein
Weitere Kostenlose Bücher