Ausgerockt - [Roman]
in den Räumen des kleinen Spiele-Ladens wurde eine Woche später Döner für zwei Euro verkauft.
Linus fragte sich, warum es bei ihm anders sein sollte. Ausgerechnet bei ihm. Ausgerechnet mit diesem seltsamen, langweiligen Laden.
Tatsächlich war die erste Woche nicht sehr ermutigend gewesen. Besonders in den ersten drei Tagen hatte sich das Interesse an dem neuen Geschäft sehr in Grenzen gehalten.
Am Montag kam niemand.
Der Dienstag begann nicht besser. Am Nachmittag lungerten immerhin zwei Typen vor dem Laden rum, guckten ab und zu durch das Schaufenster und rauchten. Eine Art von Interesse, immerhin, wobei es ebenso gut sein konnte, dass sie ihn ausrauben wollten. Vielleicht warteten sie auf den geeigneten Moment.
Der geeignete Moment war allerdings ständig, weil sich im Laden schließlich keine Kundschaft befand.
Die Typen sahen jung aus, als seien sie erst seit Kurzem volljährig. Der Größere war etwas grobschlächtig, hatte knallrote Haare, blasse und verpickelte Haut und trug eine schwere alte Lederjacke.
Der andere war zierlich. Er trug unter einem strengen Seitenscheitel eine Buddy-Holly-Brille und eine etwas modischer geschnittene Lederjacke.
Linus beobachtete die Jungs über die volle Länge des a-h a –Albums Hunting High and Low , welches er für seinen Verkauf spaßeshalber mit einem Aufkleber »Brandneu« versehen hatte.
Schließlich ging er raus und fragte sie, ob sie nicht einen Kaffee trinken wollen. »Ihr könnt ihn auch hinten auf der Terrasse trinken. Da könnt ihr rauchen. Geht auf’s Haus.«
»Alter. Das nenn ich mal nett«, sagte der grobschlächtige Rotschopf mit heller Stimme. Der andere nickte nur und lächelte freundlich. Er sah scharfsinnig aus, intelligent. Aber Optik kann täuschen, dachte Linus.
Sie tranken ihren Kaffee im Laden und verzichteten zunächst auf Zigaretten. Der Rothaarige ließ sich in einen Sessel sinken, blätterte lustlos in einem Veranstaltungsmagazin und sagte: »Coole Location.«
Der andere wies mit dem Kopf in die Vinyl-Ecke und fragte: »Kann ich mir die mal ansehen?«
»Dafür sind sie da«, sagte Linus. Und er fand es nicht einmal komisch, hier mit den Jungs zu reden, obwohl diese Situation neu für ihn war. Sie waren schließlich genau das, was er brauchte. Leute, die Lust hatten, in seinem Laden rumzuhängen. Sie waren Kundschaft.
»Wenn du was findest, können wir es auch über die Anlage laufen lassen«, erklärte Linus.
Dem Jungen gefielen die New Wave Sachen besonders gut. Er blätterte eine Weile darin, zog irgendwann eine Flesh for Lulu - 12 Inch hervor und wendete sie begeistert in seinen Händen: »Das gibt es nicht, dass du so was hast. Ich darf doch du sagen?«
Linus konnte sich nicht vorstellen, dass der Junge sich in der New Wave und New Romantic Ära wirklich auskannte. Aber er war froh, überhaupt Resonanz auf seine Ware zu erhalten.
»Linus«, sagte er.
»Mücke«, antwortete der Junge.
Am Mittwoch kam Mücke ohne seinen Kumpel wieder. Er hatte die Lederjacke gegen ein Cordsakko getauscht, trug aber wieder das Buddy-Holly-Gestell unter dem Scheitel und trank vier Chai Tee Latte, die er selbst bezahlte. Er sagte, er wolle eine gute Sache unterstützen. Mücke musste ein Spitzname aus der Schule sein. Ein netter Kerl, und für einen Siebzehnjährigen erschien er überdurchschnittlich schlau.
Linus wusste es zu schätzen, einen ersten Gast zu haben. Dennoch blieb Mücke bis zum Feierabend der Einzige.
Am Donnerstag kam Lennard mit seiner Schwester Katti. Linus hatte den Eindruck, sie würden sich besonders lange bei ihm aufhalten, um ihm einen Gefallen zu tun. Während Katti gelangweilt auf einem Stuhl saß und offensichtlich die Absicht hatte, ein Loch in ihren Kaffeebecher zu rühren, trieb Lennard sich die meiste Zeit vor den Schaufensterscheiben herum.
Mal setzte er sich an seinen Tisch auf der linken Seite, mal auf der rechten Seite, aber immer direkt vor die Scheiben. Anschließend lungerte er minutenlang auf der Verkaufsseite am Fenster rum und zog mit staunenden Gesten Platten aus dem Regal, hielt sie hoch, drehte sie, und steckte sie zurück.
Er wollte nach außen hin demonstrieren: Seht her, Leute. Hier ist was los!
Katti wurde das bald zu langweilig. Sie verabschiedete sich knapp, bedankte sich für den Kaffee und trottete nach Hause.
Am frühen Abend betraten zwei Frauen das Café.
Sie setzten sich ans Fenster und bestellten französischen Rotwein. Linus schätze sie auf Mitte dreißig. Er legte eine
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