Ausgesaugt
erledigt, der den Krüppel ermordet hat. Sein Blut hätte auch locker gereicht, hätte ich unterwegs nicht so viel von meinem eigenen verloren. Das Vyrus musste mich ständig wieder zusammenflicken, und es kostet eben viel Energie, Blut gerinnen zu lassen und neue Zellen zu bilden.
Dann stehe ich erneut auf, starre in den Tunnel und denke an Phil.
Ich hätte nicht auf ihn hören sollen.
Selbst im Tod hat er mich nochmal aufs Kreuz gelegt.
Ich weiß genau, was ich tue.
Ist ja auch simpel.
Ich muss einfach nur aufpassen, dass mich der Wurm nicht verschluckt.
Das kann natürlich nicht ewig gutgehen. Am Ende erwischt einen der Wurm immer. Ich versuche nur, seinem Maul noch ein Weilchen zu entkommen. Die beste Methode ist, so schnell wie möglich vom Schwanz wegzurennen. Dabei stellt sich jedoch die Frage: Was tun, wenn man plötzlich wieder auf seinem Genick steht? Ein Sprung, und man ist wieder da, wo man angefangen hat, und das Maul kann sich jeden Augenblick über einem schließen. Aber wenn man einfach stehen bleibt, passiert früher oder später genau dasselbe.
Am besten, man hüpft gleich ins Maul und bringt’s hinter sich.
Oder man rennt weiter im Kreis, bis er sich vollständig verschlungen hat. Und einen selbst gleich mit.
Der Wurm gewinnt immer. Ein glücklicher Mann hat gewisse Entscheidungsmöglichkeiten, das Wie und das Wann betreffend, aber das ist auch schon alles.
Das Wie und das Wann.
Momentan lautet die Devise: Möglichst schnell und noch nicht gleich.
So lange es eben dauert.
Um die Wahrheit zu sagen, ich weiß ziemlich genau, wie ich mir den Wurm lange genug vom Hals halten kann, um diese letzte Sache zu erledigen. Beim Wie muss ich allerdings passen. Da nehme ich es, wie es kommt. Schnell, langsam, einfach, schwer, egal: Wenn der Wurm einen erst mal geschluckt hat, hat man ohnehin nichts mehr zu melden.
Und ich spüre erneut seine Zähne in meinen Eingeweiden. Sie erinnern mich daran, wie nahe er schon gekommen ist.
Okay. Ein paar Asse hab ich noch im Ärmel, ein paar Runden hab ich noch zu drehen. Einfach im letzten Moment über das gähnende Maul springen, abrollen, weiterrennen. Immer und immer wieder im Kreis. Das ist schon fast Routine für mich.
Ich weiß genau, was ich tue.
Wirklich.
Ich weiß es.
Zumindest rede ich mir das ein, als ich am Ende einer Seitengasse der Avenue C aus einem Abflussrohr krieche und dann in die Kotzmeile biege, zu dem die Hipster und College-Kids mein altes Viertel gemacht haben. Ich bin nur ein stinkender, dreckiger, humpelnder, stolpernder Säufer, der verzweifelt versucht, mit einem feuchten Paper eine Zigarette zu drehen. Daher machen mir die Leute bereitwillig Platz. Zumindest bis ich die Stufen zu einem Haus am Ende des Blocks raufkrieche und mir zwei Skinheads den Weg versperren.
Sie machen sich bereit, um mich zurück auf die Straße zu schubsen. Dann riechen sie, was sich unter dem anderen Gestank verbirgt, der an mir hängt, und ihre Hände gleiten in die altmodischen Cabanjacken, die sie beide tragen.
Ich hebe die Arme.
– Ihr würdet doch nicht auf einen Krüppel schießen, oder?
– Na, da wär ich mir nicht so sicher, Joe. Da wär ich mir gar nicht so sicher.
Ich sehe zu dem Monolithen auf, der in der offenen Tür am Ende der Vortreppe steht.
– Hey, Hurley. Siehst gut aus. Riesig wie immer.
– Und du, Joe, wirkst arg lädiert. Wie immer.
Ich lasse die Hände sinken.
– Tja, Macht der Gewohnheit.
Er schiebt sich die Hutkrempe aus der Stirn.
– Dann komm mal rein, du arme Sau. Ich nehm an, du willst ’ne tüchtige Abreibung. Macht der Gewohnheit und so.
Ich gehe die Stufen hinauf.
– Mach dir keine Mühe, Hurl. Bringt ja doch nichts.
Als ich das Haus betrete, klopft er mir auf die Schulter.
– Keine Angst, Joe. Für alte Freunde wie dich immer gerne. Da brauchst du dir keine Sorgen zu machen.
Es gab mal eine Zeit, da war ich ein richtig schlechter Mensch.
Wenn ihr euch das vorstellen könnt.
Das Lustige daran ist, dass ich mir nie wieder in meinem Leben so sicher war, das Richtige zu tun, wie in jenen Jahren.
Ein Soldat aus Überzeugung. Für die Society. An vorderster Front gegen die Mächte der Finsternis. Immer bereit, wenn es darum ging, eine Gesellschaft zu errichten, in der Infizierte frei, sicher und in aller Öffentlichkeit leben können. Ein so edles Ziel erfordert natürlich eine vereinte Front. Eine einheitliche Marschrichtung. Da kann man nicht zulassen, dass Vampyre wahllos Menschen
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