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Ausgesaugt

Ausgesaugt

Titel: Ausgesaugt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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runtergeht, kommen einem die komischsten Ideen.
     
    Ich kriege es nicht mal zu sehen.
    Jedenfalls nicht richtig.
    Es ist ziemlich zerbrechlich. Schnell, aber zerbrechlich. Jedes Mal, wenn ich mit der Stange darauf einschlage, bricht ein Teil ab und fällt zu Boden. Also hämmere ich weiter darauf ein, versuche, es auseinanderzunehmen, ein Loch hineinzuschlagen. Dabei bemühe ich mich, das Ding, das aus seiner Schulter ragt und wie ein zweiter Kopf aussieht, nach Möglichkeit zu ignorieren. Bis ich auch das abschlage. Irgendein Zeug fließt die Stange runter, und meine kaputte Hand rutscht immer wieder ab. Das Ding lässt von Phil ab und geht mit seinen Klauen auf mich los. Es reißt mir den Oberschenkel und den linken Innenarm auf. Ich hole mit der Stange aus und ramme sie mit der Spitze voraus in die Wunde, wo vorher das kopfähnliche Teil war. Es pfeift und quietscht, als würde man langsam die Luft aus einem Ballon lassen, nur viel lauter. Das Ding rennt gegen die Wand, prallt davon ab, rennt noch zweimal dagegen und bleibt schließlich in einem Haufen liegen, aus dem splittrige Stacheln ragen. Genau wie auf den Bildern von den Präparaten, die Amanda mir gezeigt hat.
    Ich schreie den Jungen an, dass er gottverdammt nochmal die Tür zumachen soll. Er wirft sich dagegen. Bevor sich die Tür schließt, kann ich einen letzten Blick auf Chubbys Tochter werfen, die sich hinter ihm übergibt. Dann erinnere ich mich an ihre Namen: Delilah und Ben.
    Ich hoffe, Sela bringt sie nicht um.
    Dann schließt sich die Tür, und die Schlösser rasten ein.
    Ich bleibe reglos stehen.
    – Ach Scheiße.
    Ich gehe einen Schritt vor.
    – Ach Scheiße, Joe. Ich glaub, es hat meinen Bauch gefressen. Ein Stück davon jedenfalls.
    Es riecht nach Wasser. Weiter vorn riecht es nach Wasser und Kloake und feuchtem, rostigem Metall. Es riecht wie ein Kanalgitter.
    Dann weiß ich ja, wo ich hinmuss.
     
    Phil wird sterben.
    Das Loch in seiner Seite ist so groß, dass ich meine Hand reinstecken könnte. Und genau das tue ich – bei dem Versuch, sein zerrissenes Hemd in die Wunde zu stopfen, um die Blutung zu stillen. Der Großteil seiner Kopfhaut und ein Ohr sind glatt abgerissen. Sein rechter Fuß zeigt in die verkehrte Richtung. In seiner Wange sind kleine Löcher. Wenn er redet, blubbern Blutblasen daraus hervor.
    Er wird sterben, aber er hat noch viel Blut im Körper.
    Genug für mich.
    – Joe.
    Ich sehe Licht. Es stammt von einer blauen Sicherheitsleuchte über einer Kreuzung, wo der Zugangstunnel, in dem wir uns befinden, in den U-Bahn-Schacht mündet. Wahrscheinlich die Lexington-Linie. Ich vermute, dass in der Nähe ein Bahnsteig ist. Ich kann die Leute darauf riechen.
    Und es duftet nach frischer Luft.
    Aber nach diesem Kellerloch kommt mir selbst der Kanalisationsgestank wie Frischluft vor.
    Das Abflussgitter war nicht weit von der Tür. Ich hatte es entdeckt, als ich mit der Ferse drin stecken blieb und Phil fallen ließ. Er schrie auf, und ich dachte schon, die anderen Kreaturen würden über uns herfallen, doch sie heulten nur und schlugen gegen die Wände. Das Ding, das ich getötet habe, war wohl das einzige, das aus seiner Zelle entkommen konnte. Keine Ahnung, wie viele von ihnen es sonst noch gibt. Sehen konnte ich nichts, es war viel zu dunkel. Aber als ich mit der Hand an der Wand entlangfuhr, ertastete ich mindestens sieben Türen mit schweren Riegeln, daneben dilettantisch installierte Elektromotoren und Kabel. Sieben Türen allein bis zum Abflussgitter. Und es war ein großer Keller.
    Dann riss ich das Gitter raus und schob Phil hindurch. Beim Runterfallen stieß er sich den Kopf und wurde ohnmächtig. Besser so. Ich nahm ihn auf die Schulter und lief gegen den Abwasserstrom, bis die Kanäle breiter und tiefer wurden. Dann spürte ich einen trockenen, kalten Luftzug, folgte ihm und schlug schließlich mit der Eisenstange ein Loch in das brüchige Mauerwerk.
    Und jetzt sind wir hier.
    Und Phil stirbt.
    Mit jeder Sekunde fließt mehr Blut aus ihm heraus.
    – Joe, ich bitte dich...
    Er redet Blödsinn.
    – ... infizier mich.
    Wieso sollte ich.
    – Du kannst mich retten, Mann. Hey, okay, wir waren nicht immer einer Meinung, und na ja, kann sein, dass ich nicht immer ganz ehrlich zu dir war, aber hey, die meiste Zeit hast du doch immer ’ne klare Antwort aus mir rausprügeln können, oder? Weißt du zufällig, wo meine Pomade abgeblieben ist?
    Er klopft auf seine Hosentasche.
    – Ich hatte doch noch irgendwo eine Dose.

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