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Ausgesaugt

Ausgesaugt

Titel: Ausgesaugt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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ist der Typ, der ständig mit Terry abhängt. Der Punk mit den engen Karohosen, den hohen Doc Martens, den runterhängenden Hosenträgern und der Bomberjacke mit den aufgemalten Anarchiesymbolen und Bad-Brains-Aufnähern.
    Joe Pitt.
    Jetzt hast du zwei Möglichkeiten. Entweder lässt du ihn rein, oder du tust so, als wärst du nicht zu Hause. Wie man hört, macht ihn Letzteres richtig sauer. Also machst du ihm auf, schenkst ihm ein nettes Lächeln und versuchst, den Ball flach zu halten. Aber noch bevor du anfangen kannst, nett und freundlich zu plaudern, um ihn wie geplant von der Spur abzubringen, hat er dich schon an den Haaren gepackt, deinen Kopf runtergedrückt und dir das Knie drei- bis viermal in die Fresse gerammt.
    Du darfst nicht vergessen: Er will nicht wissen, was du getan hast und warum. Deshalb ist er nicht hier. Er hat kein Interesse daran, dich vorsichtig auszufragen, um sich dann in aller Ruhe ein Bild machen zu können. Er hat seine Befehle, und die führt er auch aus. Ohne lange zu fackeln.
    Außerdem hat er seinen Spaß dran.
    Weil er gut ist.
    Und es macht eben Spaß, das zu tun, was man am besten kann.
    Weil er so gut ist, kann er es sich leisten, ein bisschen zu improvisieren. Mit einem Messer oder einer Pistole könnte er kurzen Prozess mit dir machen, doch stattdessen hält er dein Ohr an einen Gasbrenner. Wenn ein Heizungsrohr durch deinen Wandschrank läuft, hängt er dich vielleicht mit einem Gürtel dran und benutzt dich als Boxsack.
    Da denkst du dir dann, dass du besser dran wärst, wenn seine Eltern etwas konsequenter gewesen wären.
    Waren sie aber nicht. Und jetzt musst du dafür büßen. Du und noch eine Menge andere Leute.
    So ging das jahrelang.
    Doch irgendwann hat mir diese Arbeit keinen Spaß mehr gemacht. Immer die gleiche Leier, das wurde langweilig. Außerdem hatte ich es satt, ständig herumkommandiert zu werden. Im Lauf der Zeit hat selbst der Dümmste ein Gespür dafür, wie der Hase läuft: dass das System immer nur bestimmte Leute bevorzugt. Meistens die, die an der Spitze stehen. Diese Erkenntnis hat mich nicht gerade schockiert. Ich fand nur, dass mein Stück vom Kuchen zu klein war. Dass ich alleine besser zurechtkomme.
    Ich dachte mir, vielleicht wäre es zur Abwechslung auch mal ganz nett, ein Zimmer zu betreten, ohne dass die Leute bei meinem Anblick davonschwirren wie die Kakerlaken, wenn das Licht angeht. Oder mal eine Unterhaltung zu führen, die sich nicht um Mord und Totschlag dreht. Sich noch anderes Wissen anzueignen, als wie lange es zum Beispiel dauert, bis alle drei Hautschichten nachgewachsen sind, damit man sie erneut abziehen kann.
    Kann sein, dass ich weich geworden bin.
    So lautete zumindest das Gerücht. Obwohl sich natürlich niemand getraut hat, mir das ins Gesicht zu sagen.
    Mit diesen Schwänken aus meiner Jugend wollte ich eigentlich nur andeuten, dass ich noch ein paar offene Rechnungen habe. Es liegt in der Natur unserer Spezies, dass nur wenige von uns das Zeug zum Überleben haben. Und je länger man überlebt, umso mehr Rechnungen bleiben offen. Mit allen möglichen Leuten. Und mit einigen Leuten habe ich sogar eine ganze Menge Rechnungen zu begleichen.
    Mit Terry zum Beispiel. Der ist für mich eine einzige große Rechnung.
    – Es ist ja nicht so, dass ich ein Freund der Folter bin, wie du weißt. Sie ist kontraproduktiv. Ich frage mich stets: Worauf laufen die Dinge hinaus? Und wenn man sich auf diese Methode einlässt, dann muss man immer bereit sein, sich selbst mehr Fragen zu stellen als der gefolterten Person. Nicht nur was die notorische Unzuverlässigkeit der unter Zwang in Erfahrung gebrachten Information betrifft, nicht wahr? Das sollte, gerade in diesen Zeiten, hinreichend bekannt sein. Was allerdings weniger bekannt ist, ist die Tatsache, dass die Folter dem Folternden mehr Fragen aufbürdet als dieser dem zu Folternden. Oder sagt man Gefolterten? Egal, nicht so wichtig. Man gerät also, und ich hoffe, du kannst mir folgen, man gerät in einen Teufelskreis. Denn wenn die Information des Gefolterten nicht glaubwürdig ist, wie macht man sie dann glaubwürdig? Mit weiterer Folter? Hey, hast du mich gerade angelogen? Noch eine Runde auf der Streckbank, dann werden wir’s ja rausfinden. Ist das der richtige Weg? Ich glaube nicht. Denn währenddessen muss man sich, nun ja, doch ständig die Frage stellen: Was mache ich hier überhaupt? Komme ich so weiter? Handle ich nicht so, wie es auch der Feind tut? Andererseits: Der Zweck,

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