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Ausgesaugt

Ausgesaugt

Titel: Ausgesaugt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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er sich von unserer Philosophie entfernt hat? Hätte es nicht in meiner Verantwortung gelegen, diesen Mann aus jener Sphäre zu entfernen, in der er den meisten Schaden anrichten konnte? In Anbetracht dessen, was du über die Society wusstest, habe ich, so würde ich von meiner jetzigen Warte aus urteilen, eine günstige Gelegenheit verstreichen lassen. Die Chance vertan, es für uns alle etwas einfacher zu machen. Ich hätte dich damals einfach umbringen sollen.
    Ich nicke.
    – Tja, wir machen alle Fehler.
    Er öffnet die Fäuste.
    – Ja, das stimmt.
    Er sieht Lydia an. Sie liegt am Boden und versucht, ihn mit ihren Blicken zu töten.
    – Apropos Fehler.
    Er reibt sich die Stirn.
    – Offensichtlich war ich etwas voreilig. Ich habe mich von meinem Zorn leiten lassen. Stattdessen hätte ich, genau wie das Buch es rät, zur Seite treten sollen, als Lydia mich angegriffen und, wie war das noch, der Vertuschung von Verbrechen gegen die Menschlichkeit beschuldigt hat. Aber so was bringt mich einfach auf die Palme. Schon immer. Wenn ich einen Moment gewartet hätte, bevor ich Hurley befohlen habe, sie zu beruhigen, hätte Lydia vielleicht Gelegenheit gehabt, zu erwähnen, dass ihre Leute hier in der Nähe auf sie warten.
    Er tippt mit dem Finger auf das Buch.
    – Bezüglich dieser Angelegenheit habe ich die Münzen wohl etwas verspätet geworfen.
    Er steht von dem schäbigen Tisch auf, den er bestimmt auf irgendeinem Flohmarkt organisiert hat.
    – Wenn sie dich erkannt hätten, Joe, hätten sie dich wahrscheinlich sofort geschnappt. Einfach nur, weil du, nun ja, du bist. Aber aufgrund deiner äußeren Erscheinung unterlagen sie vermutlich einer gravierenden sozioökonomischen Täuschung und haben deshalb nichts unternommen, bevor du durch unsere Tür warst. Aber wie es aussieht, werden wir keine weiteren Gäste mehr empfangen.
    Er deutet nach oben.
    – In diesen Räumlichkeiten hier befinden sich, keine Ahnung, ein paar Dutzend Partisanen, dazu frisch Infizierte, die noch unter Schock stehen und von Seelsorgern betreut werden. Und natürlich die alte Garde und wir. Lydias Leute haben den Vordereingang umstellt. Wir kontrollieren die Seitenstraße, sie wiederum sind auf den Dächern des Hintergebäudes postiert. Man könnte also von einer Pattsituation sprechen.
    Er umrundet den Tisch und lehnt sich mit der Hüfte dagegen.
    – Wie lange, frage ich dich, wird es wohl dauern, bis diese internen Differenzen die Koalition erreichen? Ich meine jetzt natürlich die Kunde von diesen Differenzen, nicht die Differenzen selbst. Denn anders würde es ja keinen Sinn ergeben.
    Ich kratze mir das Knie.
    – Unter normalen Umständen etwa einen Tag. Aber in Anbetracht der Lage wissen sie es wahrscheinlich bereits.
    – Ja, das glaube ich auch.
    Er sieht wieder auf Lydia herab.
    – Wenn Predo merkt, dass uns die Hände gebunden sind – was du jetzt bitte nicht als Wortspiel auf deine Kosten missverstehen solltest, Lydia –, dann wird er in Aktion treten. Seine Armee in Bewegung setzen. Weißt du, die Koalition besitzt hier einige Gebäude. Ein paar Mietshäuser. Predo wird seine Leute buchstäblich busweise rankarren und dort einquartieren. Und sobald wir wieder miteinander ins Reine gekommen sind – wenn uns das überhaupt gelingt –, befinden sich schon zweihundert Koalitionssoldaten auf unserem Terrain. Vielleicht greift er uns aber auch gleich an. Wenn er Lydias Leuten in den Rücken fällt, solange sie mit uns beschäftigt sind, dann... ach, es ist alles so... ich weiß auch nicht. Ich...
    Er nimmt die Brille ab und legt die Hände über die Augen.
    – Ich weiß nicht so recht, was ich tun soll.
    Er hebt einen Finger, ohne die Hand von den Augen zu nehmen.
    – Selbst wenn Predo nichts unternimmt, könnte so eine, nun ja, Uneinigkeit, das Ende der Society bedeuten. Mann, also, wie soll man denn das allgemeine Vertrauen in die eigene Führungskraft wiederherstellen, wenn man mitten in einem Machtkampf steckt? Unsere Leute da draußen verfolgen genau, wie das hier ausgeht. Und wenn wir zerstritten sind und Predo davon erfährt, dann wird er es ihnen sofort unter die Nase reiben, und das, also, das wird uns...
    Er nimmt die Hände von den Augen.
    – ... behindern, Mann.
    Meine Sachen liegen auf einem Regal am anderen Ende des Raums. Die Schlüssel, die feuchten Streichhölzer, das Messer, die Säge und der Tabak. Ich starre den Tabak an. Die scharfen Krallen in meinen Eingeweiden fangen langsam wieder an, sich zu bewegen,

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