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Ausgesaugt

Ausgesaugt

Titel: Ausgesaugt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charlie Huston
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Knarre ausleihen. Nur für heute Nacht. Immerhin hab ich es Terry ausgeredet, dich umzubringen.
    Sie zuckt mit ihren muskulösen Schultern und schlüpft in ihre Carhartt-Jacke.
    – Joe, das letzte Mal, als ich dich mit einer Knarre gesehen habe, hast du mir in den Bauch geschossen.
    – Weißt du, wenn du ständig auf solchen Sachen rumreitest, können wir kein vernünftiges Vertrauensverhältnis aufbauen.
    Sie schüttelt den Kopf.
    – Brauchst du Hilfe?
    Man benötigt zwei Daumen, um ein Hemd zuzuknöpfen. Ich schätze, für den Rest meines Lebens werde ich wohl mit T-Shirts und Reißverschlussjacken vorlieb nehmen müssen. Gesetzt den Fall, ich bekomme noch mal die Gelegenheit, mir Gedanken über meine Garderobe zu machen.
    Ich sehe auf die drei Knöpfe hinunter, die ich geschafft habe. Sie sind in den falschen Löchern.
    – Ich hätte ja lieber ’ne Knarre, aber da sage ich auch nicht nein.
    Sie kommt zu mir rüber, öffnet das alte schwarze Kordhemd und fängt an, es richtig zuzuknöpfen.
    Sie starrt konzentriert auf ihre Hände.
    – Ich frage mich...
    Sie steckt einen weiteren Knopf ins Loch.
    – Ich frage mich, ob du einen Plan hast. Manchmal denke ich: Der Joe, der hat das alles haarklein geplant. Doch wenn ich dich dann so sehe wie jetzt, so völlig im Arsch, dann denke ich: Der Joe, der tauscht seine Körperteile gegen ein bisschen mehr Zeit. Ihm steht das Wasser bis zum Hals, und was macht er? Er strampelt ordentlich, um die verdammten Haie anzulocken.
    Jetzt ist sie am obersten Knopf angelangt.
    – Aber vielleicht willst du sie ja auch nur von jemand anderem weglocken.
    Ich trete einen Schritt zurück und öffne den obersten Knopf mit der gesunden Hand wieder.
    – Willst du mich erwürgen, Lydia?
    Inzwischen sieht sie nicht mehr die Knöpfe an, sondern in mein Auge.
    – Weißt du, Joe, manchmal ist es sinnvoll, sich auf mehr als nur auf eine einzige Sache zu konzentrieren.
    Ich ziehe den Tabak aus der Tasche.
    – Wenn du jetzt noch so liebenswürdig wärst, mir eine zu drehen?
    – Ich meine ja nur, Joe. Ich weiß, dass es da etwas gibt, das du unbedingt willst. Das dir am Herzen liegt.
    Ich ziehe ein Paper heraus.
    – Mir liegt am Herzen, dass du mir eine drehst.
    – Wenn ich Recht habe, wenn es wirklich etwas gibt, was dir am Herzen liegt, dann ist in deinem Herzen ja möglicherweise Platz für mehr.
    Ich streue etwas Tabak auf das Papier.
    – Klar. Ein Drink wär’ jetzt nicht schlecht.
    – Chubbys Tochter.
    Ich rolle das Paper zusammen.
    – Sie ist hoffnungslos auf dem Anne-Rice-Trip. Du würdest sie hassen.
    – Dieses Baby...
    Ich stecke die Zigarette in den Mundwinkel.
    – Das kommt wahrscheinlich ganz nach seiner Mutter. Wird mit Feenflügeln und Zauberstaub auf den Augenlidern auf die Welt kommen.
    – Diese Kinder in Queens. Das Loch.
    Ich beuge mich zum Gaskocher vor und zünde die Kippe an.
    – Schon komisch...
    – Kommt jetzt wieder so ein beschissener Witz?
    – Nein. Aber es ist schon komisch, dass mir jeder ständig erzählen will, was mit diesem Loch geschehen soll. Obwohl ich derjenige bin, der da unten war. Glaubst du, ich hab mir dort das Auge zugehalten? Und dann durch einen Spalt zwischen meinen Fingern gelinst, um so schnell wie möglich abzuhauen? Glaubst du, mir ist da unten was entgangen, Lydia? Glaubst du das? Glaubst du, du kannst mir irgendwas darüber erzählen, was ich noch nicht weiß?
    Sie schlägt mit der Handkante durch die Luft.
    – Joe, jetzt hast du mal die Chance, den Leuten zu zeigen, wer du wirklich bist. Die Möglichkeit, mal mehr zu tun, als nur ums Überleben zu strampeln. Du könntest endlich mal für mehr kämpfen als nur für dich. Du könntest Menschen retten, die es auch verdient haben. Du könntest beweisen, aus welchem Holz du geschnitzt bist. Nur ein einziges Mal.
    Ich schaue mich unter dem Tisch, unter ein paar Stühlen und in den Ecken um.
    – Lydia.
    – Joe.
    Ich nehme einen Zug.
    – Lydia, weißt du zufällig, wo Terry den Ball hingeworfen hat, den du im Mund hattest?
    Ich puste Rauch aus.
    – Den würde ich nämlich gerne wieder dorthin zurückstecken.
    Sie verzieht keine Miene.
    – Früher oder später musst du eine Entscheidung treffen. Ob du willst oder nicht. Und dann werden wir ja sehen, was in dir steckt.
    Ich setze mich auf einen Stuhl und schnappe mir meine Stiefel. Inzwischen sind Blut und Dreck so gut wie vollständig abgeblättert.
    – Interessante Wortwahl. Ich hatte heute Abend schon eine kleine Unterhaltung mit

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