Ausgesetzt
die Landspitze zu umrunden. In diesem Tempo würden sie es nie schaffen.
Plötzlich rutschte ihr die rechte Krücke weg. Sie fiel beinahe hin, fing sich aber und ging weiter.
»Vielleicht sollten wir jetzt was essen«, schlug Walker vor.
»Wir sind doch gerade erst losmarschiert.«
»Ich habe Hunger.«
»Hast du nicht!«
Sie ging weiter. Walker überkam leise Panik. Wie sollte er sie aufhalten?
Ihre Wimperntusche begann zu verwischen, was ihre weiße Haut noch blasser erscheinen ließ. Blonde Strähnen klebten feucht an ihrer Stirn. Den Blick hielt sie auf den Sand vor ihr gerichtet. Beharrlich holte sie aus und stieß sich ab, holte aus und stieß sich ab. Ihr Atem kam in quälenden kleinen Stößen.
Walker blieb stehen und breitete das Badetuch aus. Krista ging weiter, also setzte er sich auf das Tuch. Schließlich blieb sie, etwa fünf Meter weiter, stehen und drehte sich zu ihm um.
»Was machst du da?«
»Du solltest dir die Schuhe ausziehen. Deine Füße sind ganz nass.«
»Ich bin nicht müde.«
Walker nickte und fing an, sich eine Zigarette zu drehen.
Möwen stiegen über ihnen hoch.
Schließlich kam Krista zurück und warf eine Krücke in den Sand. Die andere benutzte sie, um sich auf das Tuch zu setzen. Dann warf sie auch die weg.
Walker wusste, wann er den Mund zu halten hatte.
Krista saß nur da, atmete schwer und blickte auf den See hinaus. Walker konnte nicht ausmachen, ob ihre Augen voller Schweiß oder voller Tränen waren.
»Betrinken wir uns sinnlos«, sagte er nach einer Weile.
Sie sah ihn an, sah wieder weg.
»Schlafen wir miteinander«, sagte er.
»Hättste wohl gern«, erwiderte sie, aber nicht mit dem gewohnten Zunder. »Ich hasse das.«
»Was?«, fragte er, obwohl er die Antwort schon kannte.
Sie schüttelte nur den Kopf. Sie legte sich hin, auf ihrem Teil des Tuches, zog die Knie an und umfasste sie mit den Armen. Ihr Gesicht war ihm zugewendet, und Walker wertete das als gutes Zeichen, auch wenn ihre Augen geschlossen waren. Er legte sich ebenfalls hin, sein Gesicht nah an ihrem.
Er streckte die Hand aus und strich ihr sanft die feuchten Haarsträhnen aus dem Gesicht, ließ seine Hand über ihre Wange gleiten. Sie öffnete die Augen. Ihre Gesichter waren einander so nah, dass einer den warmen Atem des anderen spüren konnte. Ihre Augen sahen aus wie tausend Glasscherben.
Jetzt küsse ich sie, dachte Walker.
»Ich schaff das nicht.«
»Was?«
»Auf diesem beschissenen Sand zu laufen!« Abrupt setzte sie sich auf. »Was zum Teufel ist das?«
Walker drehte sich um, um ihrem Blick zu folgen. Eine große Rauchwolke stieg auf, schwarz und ölig, blähte sich auf an der Stelle am Strand, von der sie gerade gekommen waren.
»Da verbrennt jemand etwas«, sagte Walker.
»Was?« Krista schrie beinahe, drehte sich zu ihm, ihre Augen wach und beunruhigt.
»Menschenskind«, stieß Walker hervor. Er sprang auf und hob ihre Krücken auf.
»Mach schon!«, schrie sie ihn an. Da reichte er ihr die Krücken, packte aus irgendeinem Grund die Weinflasche, dann lief er los, den ganzen Strand zurück.
Mit seinen langen Beinen war er in etwa einem Zwanzigstel der Zeit, die sie vorher für die Strecke gebraucht hatten, wieder bei dem Toyota. Doch er kam zu spät. Der Wagen brannte lichterloh, die Flammen flackerten und tobten hinter den verschlossenen Türen und auch außen, so dass der Lack sich ablöste, das Lenkrad und die Handschaltung schmolzen; sie brüllten und zischten und schickten giftige, schwarze Rauchwolken in den Himmel. Ein Reifen explodierte, dann noch einer, und schließlich auch die beiden anderen. Der Wagen sank wie ein Sterbender zu Boden.
Es war unmöglich, näher ranzugehen. Walker konnte nichts anderes tun, als um das Auto herumzutanzen, sich hilflos zu fühlen und sich zu fragen, ob das Ding womöglich explodieren und Schrapnelle in die Luft schleudern konnte.
Er sah, wie Krista sich den Strand zu ihm vorarbeitete und dabei versuchte, das Liegetuch und das Essen mit sich zu schleppen. Sie hatte erst die Hälfte der Strecke zurückgelegt.
Er rannte über den Strand zu ihr hin. Sie konnte den Wagen zwar wegen der Sanddüne nicht sehen, wusste jedoch schon, bevor Walker es ihr sagte, was da brannte. Sie hatte es in dem Moment gewusst, als sie den Rauch gesehen hatte. Was konnte sonst brennen, außer der Scheune, die sie aber völlig unversehrt am Straßenrand erkennen konnte?
»Krista, es tut mir leid.«
Krista ließ Tuch und Korb in den Sand fallen. Tränen
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