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Ausgesetzt

Ausgesetzt

Titel: Ausgesetzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: James W. Nichol
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Wecksignal um sechs Uhr.
    Er spürte, dass nicht viel fehlte: ein kleiner Schubs, eine scharfe Bemerkung, und er käme aus dem Heulen nicht mehr heraus. Toronto war nur mehr eine flüchtige Erinnerung, unendlich lange zurückliegend. Seine Mutter vermisste er kein bisschen, aber, die Hand schützend um sein nasses, kleines Schwänzchen gelegt, träumte er jede Nacht von seinem Vater.
    Als Bobby eines späten Nachmittags aus dem Biologieunterricht kam, warteten vier Jungen im Korridor auf ihn. Zwei waren Stubenkameraden, zwei waren schon älter.
    »Heute zeigen wir’s Dimarco, der Schwuchtel«, ließen sie ihn wissen.
    Eine Falle, dachte Bobby sofort, die haben es nicht auf Dimarco abgesehen, sondern auf mich. Unauffällig bewegte er sich auf eine Mauer zu und lehnte sich so lässig er nur konnte dagegen. Wenigstens sein Rücken war gedeckt.
    »Aha?«, sagte er.
    »Du kennst doch Dimarco? Das kleine Arschloch aus der Stadt? Sein Alter ist doch Bürgermeister oder so was? Wackelt daher wie ein Mädchen.«
    Auf einmal sprachen alle gleichzeitig.
    »Scheißschwuchtel.«
    »Wieso ist der überhaupt hier?«
    »Weil sein Alter Bürgermeister ist.«
    »Schaut aus wie ein Cockerspaniel, der Arsch. Nein, im Ernst. Ich hab einen Cockerspaniel zu Hause, mit diesen großen braunen Augen, den Locken, genau wie Dimarco, die schwule Sau.«
    »Also, kommst du mit?«, fragte einer der älteren Jungen.
    »Um was zu tun?«, fragte Bobby zurück.
    »Ihn überfallen, wenn er in die Stadt runtergeht.«
    »Ihm die Hosen runterziehen.«
    »Ihn schmieren.«
    »Schmieren?«, fragte Bobby.
    Die anderen lachten. Einer von ihnen, ein Stubenkamerad von Bobby, zog eine große Zahnpastatube aus einer seiner Taschen.
    »Mama, Mama, er hat überhaupt nicht gebohrt.«
    Wieder lachten alle. Bobby riskierte ein zaghaftes Lächeln.
    »Also, komm doch mit!«
    »Na los!«
    Bobby konnte sich nicht vorstellen, warum sie ihn dabeihaben wollten. Niemand konnte ihn leiden. Er hatte keine Freunde.
    Er wollte keine Freunde.
    Er beäugte die Zahnpastatube. Sie wollten ihn vom Schulgelände weglocken, auf den Weg, der hinunter ins Tal führte, in die Stadt. Sie würden so tun, als warteten sie auf Dimarco, aber in Wirklichkeit hatten sie es auf ihn abgesehen. Ihn würden sie schmieren. Bobby spürte, wie sich sein Schließmuskel zusammenzog. Ein kleiner elektrischer Schlag fuhr ihm durch die Eier.
    Bobby sagte: »Ich hab noch eine Extrastunde bei Baines der Birne. Förderunterricht. Hat er mir gerade gesagt. Ich soll mein anderes Heft holen und gleich wieder zurückkommen.«
    »Ach so.« Die Jungen zuckten die Achseln, nickten. Zumindest waren sie überzeugt.
    Bobby konnte gut lügen. Er konnte alles, was er können wollte.
    Er sah den Jungen nach, wie sie zur Tür hinauslatschten und über den Hof zum Osttor gingen.
    Bobby kannte Dimarco. Carlo Dimarco. Spaghettifresser. Schwuchtel. Einer von den paar Jungen aus der Stadt, von den Reichen, die ihre Kinder nach Southam schickten. Stadtjungs. Tagesschüler. Vielleicht war Dimarco eine Schwuchtel. Er war hübsch genug, um ein Mädchen zu sein.
    Bobby stellte sich Dimarco vor. Seine langen, dunklen Wimpern, die schwarzen Locken, die weichen rosa Wangen, sein sensibles Strebergesicht. Er kam ein wenig plattfüßig daher, und auf dem Paradeplatz war er ein fast ebenso hoffnungsloser Fall wie Bobby. Er hatte einen prallen Arsch genau wie ein Mädchen.
    Bobbys Herz klopfte ein wenig schneller, als er an Dimarco dachte. So eine Muschi. So eine Analratte. Wenn die anderen ihn festhalten würden, dachte Bobby, würde ich der Sau voll ins Gesicht steigen.
    Er spähte aus dem kleinen Fenster in der Tür. Die vier Jungen verschwanden soeben durch eine Öffnung in der hohen Steinmauer in Richtung der Straße, die in die Stadt führte. Vielleicht sagten sie ja die Wahrheit. Vielleicht wollten sie ihn aus irgendeinem Grund, den er sich nicht denken konnte, wirklich dabeihaben. Wollten, dass er mitmachte. In ihrer Bande.
    Bobby stieß die Tür auf. Ein Schwall kalter Novemberluft kam ihm entgegen, nahm ihm den Atem. Er zitterte, trat hinaus. Dunst lag in der Luft, ein unsichtbarer Sprühregen, der sich sofort wie winzige Diamanten auf sein graues Wollsakko legte. Einen Augenblick stand er da und überlegte, was er tun sollte. Er konnte in sein Zimmer laufen, seine Bücher hinschmeißen, den Mantel anziehen. Oder er konnte ihnen folgen so wie er war, die anderen hatten auch keine Mäntel an. Oder er konnte einfach alles

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