Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Ausgespielt

Ausgespielt

Titel: Ausgespielt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sue Grafton
Vom Netzwerk:
Verlassenheit beitrug. »Bart und Bret, die Putzzwillinge, waren letzte Nacht hier. Man sieht es an den Staubsaugerspuren. Wir können nur hoffen, dass derjenige, der am Montagmorgen als Erster hier reinkommt, sich nicht über die Fußspuren in sämtlichen Fluren wundert.«
    »Woher wollen Sie wissen, dass es Bart und Bret waren, die hier gesaugt haben, und nicht die Typen mit dem Putzwagen?«
    »Schön, dass Sie das fragen. Ich kann Ihnen nämlich verraten, warum. Das waren keine echten Putzmänner. Darauf bin ich heute Nacht gekommen. Wissen Sie, was mich an denen gestört hat?« Sie machte eine Kunstpause. »Falsche Schuhe. Wer geht schon in auf Hochglanz polierten italienischen Vierhundert-276
    Dollar-Schuhen Fußböden schrubben?«
    »Sie sind ja ein richtiger Sherlock Holmes.«
    »Darauf können Sie Gift nehmen. Holen Sie Ihre Tasche, während ich meine Neugier befriedige. Es dauert bestimmt nicht lange.«
    Ich machte mich eilig auf den Weg zum Dach, indem ich den Flur entlangeilte, der der Treppe am nächsten lag. Getreu Becks Erlass bezüglich freier Flächen sah jeder Schreibtisch, den ich unterwegs passierte, so kahl und unberührt aus wie in einer Anzeige für Büromöbel. Ich nahm zwei Stufen auf einmal und stieß die große Glastür auf, die aufs Dach hinausführte. Der Morgenhimmel war unendlich weit und von einem makellosen Blau. Ich verlangsamte meinen Schritt und trat an die Brüstung, da ich mir die Innenstadt von Santa Teresa von diesem Aussichtspunkt aus ansehen wollte. Die Sonne hatte die Luft im Dachgarten erwärmt und den blühenden Sträuchern ihren Duft entlockt, während eine leichte Brise das Laub rascheln ließ. In der Ferne ergoss sich Licht wie Ahornsirup über die Berggipfel.
    Ich beugte mich vor und sah auf die Straße hinab, die zu dieser Stunde wie ausgestorben war. Ich hielt das Gesicht in die Sonne und holte tief Luft, ehe ich mich wieder den anstehenden Aufgaben widmete. Nachdem ich meine Tasche hinter dem Ficus hervorgeholt hatte, verließ ich den Dachgarten. Reba hatte mit ihrer Äußerung über meine Pille Recht gehabt. Ich zog das Päckchen heraus und schluckte zwei davon, als wären es Pfefferminzpastillen.
    Reba hatte unten mittlerweile ein Metermaß gezückt und war gerade dabei, Länge und Breite des Korridors abzumessen. Sie hatte einen Fuß auf das Metallband gestellt, während sie es am anderen Ende ganz herauszog. Sie ließ den Knopf los, und das Metallband schnappte sirrend wieder in ihre Hand zurück. Das scharfe Ende wischte gegen ihren Finger und schnitt in die Haut ein. »Verdammt. So ein Mist!« Sie saugte an ihrem Knöchel.
    277
    »Soll ich die Sanitäter rufen?«
    »Sehen Sie sich das nur an. Ich verblute.«
    Die Schramme an ihrem Zeigefinger war einen halben
    Zentimeter lang. Sie studierte sie stirnrunzelnd. »Auf jeden Fall wette ich meinen Kopf, dass der verfluchte Raum genau hier ist.
    Legen Sie mal ein Ohr an die Wand und lauschen Sie. Vor einer Minute habe ich es noch brummen hören. Wie Maschinen.«
    »Reba, das ist der Aufzugschacht. Wahrscheinlich haben Sie den Lastenaufzug nach unten fahren hören.«
    »Nicht von dieser Etage aus. Außer uns ist niemand hier oben.«
    »Aber wir können nicht die einzigen Leute im ganzen Haus sein. Die Fahrstuhlmechanik ist direkt über uns. Natürlich hört man das.«
    »Glauben Sie?«
    »Sehen wir einfach nach«, schlug ich vor.
    Sie folgte mir um die Ecke zum Lastenaufzug. Anhand der digitalen Anzeige an der Wand konnten wir nachvollziehen, wie der Aufzug nach unten fuhr und die Anzeige von Erdgeschoss zu Tiefgarage wechselte.
    »Das war mir klar«, sagte ich und sah auf die Uhr. »Mist. Wir müssen zusehen, dass wir hier rauskommen, ehe Willard stutzig wird und sich auf die Suche nach uns macht. Unglaublich, was Sie ihm für einen Blödsinn erzählt haben. Manipulation ist gar kein Ausdruck dafür.«
    »Ich fand mich toll … außer dass dieses Betteln und Flehen nur begrenzte Wirkung hat. Wenn wir nächstes Mal reinwollen, muss ich garantiert mit dem Kerl ins Bett.«
    »Das soll wohl ein Witz sein, oder?«
    »Seien Sie doch nicht so prüde. Hat man einen gebumst, hat man alle gebumst. Jungfrau ist man nur einmal, und danach kann man guten Gewissens die Vorteile genießen. Außerdem hätte ich gar nichts dagegen. Ich finde ihn süß.« Erneut suchte 278
    sie mit Blicken die Wand ab, und ich sah ihr an, dass sie nach wie vor über den fehlenden Raum nachgrübelte. »Vielleicht kommt man übers Dach rein«, mutmaßte

Weitere Kostenlose Bücher