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Ausgetanzt

Ausgetanzt

Titel: Ausgetanzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anni Bürkl
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fasten.« Sie strich sich mit den Handflächen sachte über die
vollen Hüften. Ließ sich auf einen der Sitzsäcke plumpsen, fiel in sich
zusammen. »Ach, Berenike …«
    »Ich bringe dir einen kleinen Teller, der geht aufs Haus. Was
magst du trinken? Vielleicht einen Hibiskustee?«
    »Ja, ist eh alles egal.«

     
    Berenike war auf halbem Weg zur Küche, da ging
wieder schwungvoll die Tür auf.
    »Grüß euch.«
    »Servus, Gero.« Ein Gast von Ragnhild, der Outdoortrainer,
der die Seminargruppe angemeldet hatte, grüßte den Hereinkommenden. »Wie geht’s?«
    »Frag mich nicht. Meine neue Gruppe ist der Wahnsinn.« Gero
ließ sich auf ein Sofa fallen und raufte sich theatralisch seine halblangen
dunkelblonden Locken. Der Typ sah aus wie der perfekte Surflehrer-Traum. Braun
gebrannt, lässig und immer einen Schmäh auf den Lippen.
    »Es ist der Klassiker: Das Management dezentralisiert
zuerst alle Arbeitsvorgänge. Dann rät ihnen ein Consultant, dass sie die
Abläufe zentralisieren müssen. Weil sie selbst keine Ahnung haben, tun sie
ständig, was ihnen andere sagen. Auskennen tut sich keiner mehr. Die Teams
werden willkürlich zusammengewürfelt, haben vorher nichts miteinander zu tun
gehabt. Jetzt läuft’s völlig chaotisch, die Mitarbeiter klauen wie die Raben,
die Krankenstände sind auf einem Hoch. Da komme ich ins Spiel, um alles ins Lot
zu bringen.«
    »Und kannst du?«
    »Bei der jetzigen Gruppe habe ich meine Zweifel. Zwei Frauen
sind auch dabei, leider. Die werden schauen, wenn’s morgen die Traun bewältigen
sollen.« Er stöhnte. »Wenn ich an einen der Teilnehmer denke, so destruktiv,
wie der sich benimmt, wird das kein Vergnügen.«
    Gero sprach mit dramatischer Stimme, Heinrich der Achte,
mindestens. Das Shakespeare-Stück hatte Berenike in Studienzeiten in ihrer
Theatergruppe gespielt.
    »Was macht er denn so Schlimmes?«
    »Er stellt alles infrage. Weißt eh«, Gero verstellte die
Stimme und äffte den Teilnehmer nach, während er einen verstohlenen Seitenblick
auf die plaudernd herumstehenden Seminargäste warf, »›so ein beschissenes
Firmentraining‹, blabla. Die Situation in der Abteilung ist dermaßen
festgefahren, dass keiner so ein Training will. Es wurde ihnen aufs Aug
gedruckt.«
    »Geh, so schlimm wird’s nicht sein, Gero.«
    »Doch. Weißt, ich versteh die Leut sogar. Sie stehen dermaßen
unter Druck. Wer weiß, wie lang ich das noch für die mach. Mit den Einsparungen
überall, meine Ansprechpartnerin hat schon sowas angedeutet.«
    »Gero, du machst das schon.« Immer ein aufmunterndes Wort,
sie mutierte noch zum Abbild ihrer Oma! Und das, wo ihr gerade beschissen
zumute war.
    »Ah, Gero.« Sepp war hereingekommen. »Hast wieder einmal
einen Seminarteilnehmer ertränkt?« Der Schriftsteller und Leiter einer
Autorengruppe, die sich in Berenikes Salon traf, spielte auf einen Vorfall vor
ein paar Monaten an. Dabei hatte sich ein Seminarteilnehmer geweigert, in ein
Kanu auf der wild dahinrauschenden Traun zu steigen. Gero hatte ihn überreden
wollen und ins Wasser geschubst, so erzählte man es sich. Er selbst stritt das
ab, meinte nur, er habe den Teilnehmer von der Gefahrlosigkeit überzeugen und
ihn motivieren wollen. Zuerst hatten die anderen die Sache für einen Scherz
gehalten, doch der Mann hätte sich beinahe nicht retten können. Nur mithilfe
der Feuerwehr war er lebendig geborgen worden.
    »Aber geh, so wild is’ es nicht.«
    »Was willst du trinken?«, lenkte Berenike ihn ab.
    »Bringst mir einen Apfelmost, bitte, und den Salat, der
klingt gut.«
    »Gerne.«

     
    Wenig später, die Seminargruppe saß fröhlich
klugscheißernd beim Essen, brachte Berenike Amélies Mahlzeit und Tee für sie
beide. Sie hatte die hellrote Suppe mit einem Tupfer Obers und ein paar
Kräutern dekoriert, in der Hoffnung, dass Amélie so Appetit bekam. Auch wenn
niemand Caro zurück zu den Lebenden bringen konnte … Was für ein Wahnsinn! Die
Wut überfiel Berenike siedend, kochend, stieg von innen her auf und erhitzte
sie, dass sie ihre Wangen glühen fühlte und ihr Kopf zu platzen drohte. Wut
über die Angst, die mit Caros Ermordung zurückgekommen war.
    »Caros Tod hat mir noch gefehlt.« Amélies Hände schlängelten
sich durch die Luft, erzählten ihre eigene Geschichte. Endlich nahm sie den
glänzenden Löffel. Verharrte damit in der Luft, hauchte mit dem Mund darauf,
dass das Metall beschlug.
    »Dabei hab ich genug Probleme mit Mehmet.« Amélie legte den
Löffel weg, griff bedächtig

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