Ausgetanzt
nach der Teekanne, schenkte ein. »Ich halte das
nicht aus.« Langsam ließ sie den Kopf in ihre Hände sinken. Die langen Finger
umschlossen ihn sanft. Als wäre er mit seinen Gedanken darin viel zu schwer.
Dann streckte sie energisch den Rücken durch. »Erzähl doch bitte, was passiert
ist«, bat sie beherrscht.
Berenike schilderte die Nacht, die hinter ihr lag. Wie Caro
nicht am vereinbarten Treffpunkt aufgetaucht war, wie die Frauen sie gesucht –
und schließlich ermordet gefunden hatten. In der Auslage von Katharinas
Friseursalon. Berenike berichtete von den Befragungen der Polizei und dem
Messer, das Adi fallen gelassen hatte.
»Meiner Seel, wie furchtbar«, Amélie rieb sich über die
Wangen, über die Augen, ihre Haut sah so runzlig aus, wie sich Berenike selbst
fühlte.
»Ich kann mir nicht vorstellen, wer so etwas tut, es ist …
Caro war noch nicht lange zurück in Österreich. Wo soll sie sich in der kurzen
Zeit Feinde gemacht haben?«
»Waren ihre Tanzkurse gut besucht?«
»Ja. Ihr Name war bekannt aus ihrer Zeit als Tänzerin. Bis
nach Amerika ist ihr Ruf gedrungen, sie ist dann abgeworben worden und hat in
L.A. gelebt.«
»Davon hab ich gehört. Warum ist sie zurückgekommen?«
»Ich kann mir nicht vorstellen, dass sie das freiwillig getan
hat. Sie war hier ziemlich unglücklich, aber sie hat nie über die Sache
geredet. Auf mich wirkte es wie eine Flucht. Vor etwas Unangenehmem. Vielleicht
ein Lover. Noch ist ja alles offen, Caro hat ein großes Geheimnis aus ihrem
Leben in den Staaten gemacht. Wer weiß, was da wirklich passiert ist. In
Amerika geht’s ja zu, womöglich war’s gar die Mafia? Weißt du’s? Man liest so
viel darüber.«
»Geh, Amélie.«
»Na, in L.A., da kann schon was passieren!«
»Dort hat sie gelebt?«
»Ein paar Jahre lang, ja. War berühmt, ist an allen
interessanten Bühnen aufgetreten. Und jetzt ist sie tot.«
Eine Weile schwiegen sie sich an. Die Suppe dampfte, ohne
dass Amélie sie berührte.
»War sie eigentlich je verheiratet?«
»Caro? Das hätte sie nie getan. Auf die Ehe schimpfte sie wie
auf alles Konventionelle. Die heilige Familie hat sie gehasst. Na ja, das kann
natürlich kaum überraschen bei ihrer Geschichte.«
»Wie meinst du das?«
»Weißt du nicht, was mit ihrer Mutter passiert ist?«
»Nein.«
»Schreckliche Sache. Du kennst doch die Gasthäuser am Seeufer
in Hallstatt. Die mit den Terrassen, wo immer was los ist? Eines davon hat
Caros Eltern gehört. Keine gute Ehe, das hat jeder gewusst. Aber dass es so
weit kommen musste …« Amélie nahm einen Schluck Tee, die Tasse schepperte
auf dem Teller, als sie beides zum Mund führte. Sie setzte mehrmals zum Reden
an, trank noch einen Schluck. In ihren grünen Augen stand aller Schmerz der
Welt. »Die Küchenhilfe hat sie gefunden. Die Wirtin. Also Caros Mutter. Sie lag
in der Wirtsstube, der Kopf blutüberströmt. Da war sie schon stundenlang tot,
wie wir später erfahren haben. Es muss spät nachts geschehen sein. Die
Zeitungen haben geschrieben, dass die Wirtsleute ständig gestritten haben. Der
Vater ist kurz darauf verhaftet worden. Das Gericht hat ihn zu ›lebenslänglich‹
verurteilt. Vor zwei oder drei Jahren kam er vorzeitig frei.«
»Wie das so üblich ist, lebenslänglich bedeutet nicht mehr
auf Lebenszeit.«
»Nein. Leider. Das hat sie für ihr Leben geprägt. Sie hat
damals schon nicht mehr im Ort gewohnt. Der Vater ist aus der Haft entlassen
worden, als Caro aus Amerika gekommen und zurück in die Heimat gezogen ist. Sie
hatten eine Aussprache, aber die ging ordentlich daneben. Caro hat dem Vater
nie verziehen, glaube ich. Er hat keine Einsicht in seine Schuld entwickelt,
hat sie gesagt. Und Caro, die wusste, wie man jemanden provoziert.«
»Kommt er als Caros Mörder infrage?«
»Was weiß ich. Er soll nach der Haft nach Lupitsch gezogen
sein.«
»Das ist ja bei mir um die Ecke.« Berenike wurde es eisig ums
Herz. Sie beobachtete Amélie, die die Suppe anstarrte und mit der Brotscheibe
spielte.
»Ach, Amélie, ich hoffe, sie klären den Mord bald auf.«
»Wem sagst du das. Dieser entlassene Serienmörder ist keine
Beruhigung. Ob er es war?«
»Was für ein Serienmörder? Hier?« Berenike fegte Brotbrösel
vom Tisch. »Im Salzkammergut?«
»Hast du nicht davon gehört? Caros Ermordung sieht nach
einem Verrückten aus, meinst nicht? Einen Körper so zu zersägen, wer macht denn
so was? Vielleicht kannst du mehr erfahren. Du hast doch diese Verbindungen zur
Polizei
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