Ausgetanzt
Promotion, jetzt, wo
sie einen japanischen Eigentümer haben, überhaupt. Doch wir haben uns nicht
getroffen, um über Berufliches zu sprechen, oder?« Er sah sie heißblütig an.
»Noch eine Schoki, Nike?«
Wie er ihren Namen aussprach und dabei sein Knie sachte
zwischen ihre Beine drückte … Aber nicht … nicht wie Jonas. Jonas, immer wieder
Jonas!
»Ja, warum nicht.« Che Guevara schien sie von der Wand
herunter zu beobachten.
Hitze, angenehm aufregende Hitze. Sie schob den Gedanken an
den Mordfall weg. Und den Neid ebenso. Die frische Schokolade kam, das
Schlagobers mit einem Minzeblättchen dekoriert. Berenike schleckte Obers vom
Löffel, ließ es in ihrem Mund zergehen, dann naschte sie das Minzeblatt.
Reizvolle Geschmackskombination. Und das war alles, was Berenike im Moment
interessierte. Nun ja, fast alles. Wer weiß …
Elf
Türkischer Çay
Der Morgen danach bescherte Berenike einen
verflixten Kater. Berenike erwachte von einem Geräusch und starrte verwirrt das
rosa Gewaber über sich an. Ach ja, der Betthimmel, der war wirklich
gewöhnungsbedürftig. Sie schielte nach dem Wecker, einem stylishen Ding aus
kühlem Metall. Harte blaue Digitalanzeige: 11.01 Uhr. Sie schloss die Augen,
der Schlaf wollte sie überwältigen. Ohne drehendes Zimmer, ohne schwankenden
Fußboden. Der kubanische Rum gestern …! Erst in der Schokolade, die sie ein
paar Mal nachbestellt hatten. Dann pur. Was für ein Genuss. Aber nicht mehr am
nächsten Tag. Automatisch erinnerte sie sich an die Zeit ihrer Krise, in der
sie auf Alkohol verzichtet hatte. Abstinenz hatte doch ihren Sinn …
Ein Pochen drang an ihr
Ohr. Sie wollte es auf das Kopfweh schieben, doch da war noch etwas. Einbrecher
…? Ruckartig setzte sich Berenike auf. Warf sich schnell ihren Kimono über.
Tapste auf nackten Sohlen durch die fremde Wohnung. Nur kein Geräusch machen!
Sie ging durch jeden Raum, um zu kontrollieren, ob sie wirklich allein war.
Ausgewachsene Hysterie, jawohl. Zum Glück fand sie keine Spur eines ungebetenen
Gastes. Erleichtert sah sie, dass der Wohnungsschlüssel nach wie vor von innen
steckte. Sie schlurfte in die Küche und ließ Wasser in ein Glas laufen. Gierig
trank sie und fühlte sich ein wenig lebendiger. Diese Paranoia durfte so nicht
weitergehen. Sie wollte nicht mehr überall Verdächtige, Mörder und
Vergewaltiger sehen. Hatte sie doch ihre eigenen Erlebnisse bewältigt! Doch
sämtliche Beteiligten im Mordfall Caro drehten sich wie in einer fehlbesetzten
Muppet Show vor ihrem inneren Auge. Dazu noch seltsame Traumfetzen … Horst, der
einer Unbekannten nahekam, irgendetwas passte daran nicht. Die Unbekannte hatte
sich in Katharina verwandelt und war in Handschellen von der Polizei abgeführt
worden. Wirres Zeug, diese Träume. Sie hätte sich raushalten sollen aus diesem
Fall. Wie Jonas ihr geraten hatte. In ihrem Bauch rumpelte eine plötzliche
Sehnsucht … Sie fühlte sich einsam in der fremden Wohnung, hätte gern wen zum
Reden gehabt.
Müde öffnete sie den Eiskasten. Die kühle Luft traf ihre
nackte Haut, machte sie frösteln. Horst hatte gesagt, die Putzfrau habe das
Nötigste eingekauft. Was für eine Welt, in der Putzperlen zum Alltag gehörten!
Die Kaffeemaschine sah intakt aus und war deppensicher zu bedienen. Kaffee,
ausnahmsweise. Was anderes würde ihr nicht viel helfen. Kaffee und irgendwas
Deftiges … eine Eierspeis, genau. Tomaten waren auch da, umso besser. In der
Kombination mit Zwiebeln und duftendem Brot würde Berenike das in einen
denkfähigen Menschen zurückverwandeln.
Während sie werkelte, überlegte sie, wie sie die Suche nach
Mehmet angehen sollte. Und der Geburtstag ihrer Nichte Jenny rückte immer
näher. Sie musste ein Geschenk finden, das für eine Zwölfjährige als cool
durchging. Wenn man heute überhaupt noch cool sagte. Mit einem Schlag fühlte
sich Berenike alt. 37 … es war so lange her, seit sie selbst zwölf gewesen war.
Ein Jahr hatte damals endlos lange gedauert, vom Schulbeginn bis zu den Ferien
eine kleine Ewigkeit. Dagegen wurde heute ständig die Zeit knapp.
Berenike trug das Frühstück auf den Balkon. Auch wenn die
Argentinierstraße stark befahren war, hier oben bemerkte man wenig von Lärm und
Abgasen. Ihr Blick wanderte zu einer hübschen Kirche aus roten Ziegeln.
Mit einer müden Bewegung steckte sie sich einen Bissen in den
Mund und nahm ihr Notizbuch zur Hand. Sie suchte nach den Tipps von Amélie, wo
sie Mehmet finden könnte. Hier stand es: Das Café Istanbul
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