Ausgetanzt
knackigen Hintern. Jeans, schwarzes T-Shirt, breite Brust,
muskulöse Arme. Und dieses gewisse Etwas … allein, wie er sich bewegte.
Berenike konnte sich vorstellen, wie Frauen seinetwegen schwach wurden. Nicht
sie, nicht jetzt. Sie hatte eine Mission. Aber …
Sie wollte die Straße überqueren, um ihm zu folgen, doch im
selben Moment schoss ein Auto die Quellenstraße heran. Sie stoppte. Ein großer
grüner Wagen, irgendein Geländewagen. Das Auto verlangsamte, die hintere Tür
öffnete sich, als es noch gar nicht zum Stehen gekommen war. Berenike rannte
wieder los, um endlich Mehmet einzuholen
Der Erzherzog-Johann-Jodler. Das Handy, verdammt. Wieder
setzte sie an, um auf die andere Straßenseite zu gelangen, hinüber zu Mehmet.
Eine Straßenbahn bremste knirschend. Berenike blieb im letzten Moment stehen.
Die Bim fuhr weiter, nahm ihr die Sicht auf den Türken. Als die Tramway schließlich
vorbei war, war auch Mehmet verschwunden.
Zwölf
Je dicker der Schleier, desto weniger lohnt
es sich, ihn zu heben. (Türkisches Sprichwort)
What now? Berenike starrte auf das
Geschäftsschild. Hairstyling by Gül. Aus diesem Laden war Mehmet eben gekommen.
Ohne weiter nachzudenken, überquerte sie jetzt erfolgreich die Straße und sah
durch das Schaufenster des Friseursalons. Hinter großen Auslagen saßen jede
Menge Leute. Einige sahen mit ihren aluminiumumwickelten Haaren wie
Außerirdische aus. Nirgends eine Spur von Mehmet. Wenn sie nur wüsste, ob er in
den grünen Wagen gestiegen war. Diesen Wagen von der Farbe, wie sie sie schon
ein paar Mal beobachtet hatte. Ein großes Auto, irgendein Kombi, der ihr immer
in Zusammenhang mit diesem Fall ins Auge gestochen war, wie sie meinte. Also
zurück zum Café Istanbul, wie zufällig daran vorbeischlendern, schließlich
hatte ihr Amélie erklärt, das Café sei seine Ausgangsbasis. Einen Blick durch
die schon lange nicht geputzten Fensterscheiben werfen. Auch kein Mehmet. Das
Lokal zu betreten, kam nicht infrage. Das wäre viel zu auffällig. Trotz ihrer
schwarzen Haare sah sie nicht türkisch aus. Vor allem trug sie kein Kopftuch.
Sie dachte wieder an den grünen Wagen. Ein bisschen oft waren ihr in letzter
Zeit Autos in Jadegrün begegnet. Mindestens einmal zu oft, um Zufall zu sein.
Das Kennzeichen hatte sie sich auch diesmal nicht merken können.
Da war wieder dieser Jodler. Sie zerrte das Handy heraus.
Jetzt musste sie es aber endlich auf stumm …
»J.«, stand auf dem Display, dazu ein Herzerl, weil jeder
Kontakt, den sie unter »Privat« abgelegt hatte, automatisch so im Handy
markiert wurde.
»Ja?«
»Warum hebst du nicht ab?«
»Ich kann jetzt nicht reden.«
»Ist etwas passiert?«
»Ich ruf dich später zurück.«
Jonas legte kommentarlos auf. Damn, damn, damn! Auch noch
das vergurkt. Knieschlottern, Zittern, fast fiel ihr das Telefon aus der Hand.
Jonas, immer wieder Jonas! Wut und Verlangen. Diese Stimme! Und das, was sie
seinen Kontrollwahn nannte. Auch wenn er sich Sorgen machte – sie wollte
nicht ständig über jeden ihrer Schritte Auskunft geben.
Dann also Hairstyling bei Gül, dachte Berenike.
Sie benötigte sowieso dringend einen Haarschnitt. Forsch betrat sie das
geräumige Geschäft. Der chemische Geruch erzeugte kurz Beklemmung, aber sie
ignorierte dieses Gefühl. Sanft tönte im Hintergrund orientalische Musik, was
Instrumentales. Es erinnerte Berenike an ihren Tanzkurs.
Eine junge Frau in bodenlangem Jeansrock und langärmeliger
Bluse kam auf sie zu: »Guten Tag, bitte schön?«
»Ich habe keinen Termin, kann ich trotzdem …?«
»Was hätten Sie gern?«
»Nur schneiden.«
Die Frau blätterte in einem großen Kalender, dessen Seiten
voll beschrieben waren. »In einer halben Stunde? Möchten Sie Tee?« Sie zeigte
auf die Sofaecke. »Ich bringe Ihnen ein Glas.«
»Sind Sie Gül?«, fragte Berenike kurz darauf
neugierig die ebenfalls recht junge Friseurin, die ihre Haare kämmte. Sie war
früher als angekündigt an die Reihe gekommen. Betont zwanglos lächelte Berenike
ihr im Spiegel zu. »Ich meine, weil das auf dem Schild draußen steht.«
»Nein, diese Frau dort ist Gül.« Die Friseurin deutete auf
eine zarte Frau, die über einer Jeans eine Art Kleid trug, dazu einen Schal
lässig um den Kopf geschlungen. »Gül ist meine Cousine. Ihr Name heißt so viel
wie türkische Rose. Schön, nicht? Ich bin Hepsen. Der Name bedeutet ›Immer
fröhlich‹. Das ist lustig, nicht?« Sie kicherte. »Ich bin nur auf
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