Ausgetanzt
an
dem Stoff, den Amélie über die Knie drapiert hatte. »Muss Liebe schön sein!«,
säuselte sie der Älteren in die Ohren und zog dabei das Ö in die Länge.
Amélie versetzte der Schwester einen Schubs. »Ayhan gefall
ich so besser.«
»Er hat eine Braut in der Türkei.«
»Na und, er liebt nur mich.«
Jenny schwenkte die Karte. »Immer bist du neuerdings im Bad
und machst dich hübsch! Wie Sisi!«
»Wer ist Ayhan?«, fragte Berenike.
»Ein Schulkollege.« Die Mädchen sahen sich an, kicherten.
»Er nervt.«
»Das verstehst du nicht, Kleine. Er ist süß.«
»Ein Schulkollege? Und der hat schon eine Braut?«
»Tante Berry! Du bist so von gestern wie unsere Mami.
Natürlich hat er eine Braut. Das ist in der Türkei so üblich. Er macht das nur
wegen seiner Familie mit.«
»Und das stört dich nicht?«
Amélie schüttelte den Kopf.
»Bist du mit ihm zusammen?«
Amélie kicherte. So kannte Berenike das Mädchen nicht.
»Seine Eltern sind gegen eine österreichische Ehefrau. Sie
wollen keine Hexe …«
»Wieso Hexe?«
»Wir sind ihnen zu freizügig. Seine Familie kommt vom Land.
Sie sind altmodisch.«
Berenike seufzte. »Kinderehe, Zwangsehe, man hört leider
immer wieder davon.«
»Ayhan ist echt anders.« Amélie grinste. Jenny piekste sie in
die Achselhöhle. Amélie kreischte. »Hör auf, du Winzling! Du hast keine
Ahnung.«
Berenike sah Amélie an, sah ihr auf einmal kindliches
Gesicht, die dunklen Haare rahmten es wie ein Gemälde ein. »Ich hoffe, du tust,
was dir gefällt. Lass dich nicht von ihm ausnutzen, nur damit er sein Vergnügen
hat.«
»Natürlich nicht, Tante Berry.«
»Männer sind manchmal …« Berenike brach ab.
»Unsere schlaue Hexe Berry kennt sich aus«, Jenny boxte
Amélie in die Seite. »Hör auf sie.«
»Was habt ihr nur immer mit Hexen, ihr zwei?«
Die Mädchen zerkugelten sich vor Lachen.
»Habt ihr in der Schule etwas über die sogenannten
Hexenverfolgungen gelernt?«
Die Mädchen nickten, sahen sich an, schauten Berenike an,
ließen das Grinsen aus ihren Gesichtern fallen.
»Jede Menge Frauen wurden damals verfolgt und lebendig
verbrannt. Weil man keine starken Frauen wollte. Denkt daran, und macht keine
solchen Scherze.« Sie dachte an Caro, wie sie in dieser Auslage drapiert war.
»Frauen haben es nicht leicht, schon gar nicht, wenn sie ihr eigenes Leben
leben wollen. Pass auf jeden Fall gut auf«, sie sah Amélie ernst an, »und lass
diesen Burschen nicht über dich bestimmen, ja?«
»Na klar, Tante Berry. Wir leben nicht anno dazumal.«
»Dann ist es ja gut.«
Jenny wedelte mit einem winzigen Zettel. »Frag doch diesen
Hellseher, wie deine Zukunft aussieht, liebe Schwester.«
Berenike nahm ihr das Papierchen aus der Hand: Professor
Amorgu – Medium, Hellseher, Spezialist für Liebesbeziehungen in jeder
hoffnungslosen Lage. Schutz gegen alle Gefahren und Verzauberungen.
»Den Kram glaubst du hoffentlich nicht, oder?« Früher hätte
sich Berenike vielleicht dafür interessiert, aber jetzt … Wie gut, dass
sie ihre Krise aus eigener Kraft überstanden hatte.
»So, genug emanzipiert«, Fred winkte den Mädchen und sah
Berenike mit einem Blick an, den sie nicht zu deuten wagte. »Zu Tisch, zu
Tisch!«
»Lass sie reden«, beruhigte ihn Jelena. »Heute ist das so.«
»Ist das so? Auch für Mädchen?«
»Ja.«
Er verzog den Mund und sie stürzten sich auf die Süßigkeiten.
Wie Verhungernde.
Vierzehn
Persischer Tee
Am Montag landete Berenike neuerlich in der
Quellenstraße, gleich in der Früh hatte sie sich auf den Weg gemacht. Die
feuchte Luft war einer staubigen Saharahitze gewichen. Sie vermisste einen
Spritzwagen, der die Straßen reinigen würde, heute herrschte wohl auch hier der
Sparkurs.
Aber das war ihr kleinstes Problem. Heute hatte sie einen
speziellen Plan. Sie huschte in ein Fast-Food-Lokal, wo niemand auf sie
achtete. Auf der Toilette fischte sie aus ihrer Umhängetasche das alles
entscheidende Requisit: Ein zwischen aschgrau und dunkelbraun changierendes
Stück Kunstseide in Dreieckform: ein Kopftuch. Amélie im Tanzstudio hatte ihr
einmal gezeigt, wie man ein solches Kopftuch auf türkische Art umband. Die
Chefin des Tanzstudios kleidete sich zwar kaum je so, außer bei Besuchen bei
Mehmets Familie in der Türkei. Mit diesem Tuch getarnt, wollte Berenike
unauffälliger ermitteln. Sie hatte vor, Mehmet endlich auf den Pelz zu rücken,
ihn im Café Istanbul zu suchen. Also musste sie auch das Cafe betreten. Sie
hoffte außerdem,
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