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Ausgetanzt

Ausgetanzt

Titel: Ausgetanzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anni Bürkl
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dass er sie mit Tuch und dem weit geschnittenen Kleid nicht
gleich erkannte.
    Berenike starrte in den Spiegel. Ihr zweites Ich blickte
kritisch zurück. Bäh! Sie zeigte sich die Zunge. Fuhr sich durch die
borstenkurzen Haare. Cooler Schnitt. Sie legte das Tuch an. Normal trug sie
Kopfbedeckungen äußerst ungern und nur bei großer Kälte, aber auf keinen Fall
im Sommer. Entsprechend widerwillig zog sie sich das Tuch weit ins Gesicht,
band es unter dem Kinn fest und fixierte es mit ein paar Haarnadeln. Na, das
sah zwar ungewohnt, aber einigermaßen echt aus.
    Sie fühlte sich seltsam, als sie die Toilette verließ, doch
die Thekenkräfte achteten gar nicht auf sie. Sie sahen kaum zu den
Hereinkommenden oder Hinausgehenden hin. Ihre Veränderung war wahrscheinlich
gar nicht aufgefallen. Draußen auf der Straße schlug die Hitze über ihr
zusammen. Das Tuch engte sie zusätzlich ein und nahm ihr die Luft zum Atmen.
    Dieses Abenteuer würde sicher noch lustig werden, versuchte
sie sich Mut zuzusprechen. Auch für andere, die sie beobachteten. Sie tastete
nach dem Kopftuch, es schien zu halten. Die Kunstfaser juckte an der Stirn. Ein
weit geschnittenes, knöchellanges Jeanskleid ergänzte Berenikes Maskerade.
Erstanden in einem dieser Geschäfte, die solche kaftanartigen Kleidungsstücke
verkauften. Sie hätte keines je betreten, wenn sie nicht so übergeschnappt
wäre, für Amélie zu ermitteln. Ohne etwas daran zu verdienen. Weil sie mit
Amélie befreundet war und weil sie wissen wollte, was hier wirklich lief. Sie
spürte, dass etwas nicht stimmte, was, musste sie herausfinden.
    Berenike kam ins Schwitzen. Sie war viel zu warm
angezogen. Wie man so etwas tragen konnte bei der Hitze! Sie stolperte
unelegant über den ungewohnt langen Saum. Kleine Schritte machen, Berenike! Sie
setzte an, die Straße zu überqueren. Ein Lieferwagen raste vorbei, sie rettete
sich auf den Gehsteig. Tja, jetzt ein Auto zu haben, hätte ihre Unternehmung
vereinfacht. Egal, nun war sie, wo sie war. Aber sie musste aufs Klo. Damn,
Matula im Fernsehen passierte das nie!
    Berenike verkniff sich ihren Drang und zwang sich
stattdessen, konzentriert nach ihrem Zielobjekt Ausschau zu halten. Im
Vorbeigehen warf sie einen zaghaften Blick in den Spiegel eines Friseurs. Die
verfolgten sie, diese Friseursalons! Mit ihren türkischen Besucherinnen, die
sich nie aufzulehnen wagten, so wirkte es zumindest auf Berenike. Die sich
unterwürfig zeigten, vorauseilend gehorsam aufgrund jahrhundertelanger
Einschüchterung. Es war zum Wändehochgehen …! Machos überall – bei den Türken
war es noch stärker zu bemerken. Calm down, Berenike!, redete sie sich zu.
Sonst machst du die Verfolgung kaputt mit deinen Emotionen, bevor sie überhaupt
begonnen hat.
    Also gut. Heute war sie wenigstens besser vorbereitet. Eine
Flasche Wasser und zwei Tafeln Bio-Schokolade schlummerten in ihrer Tasche. Nur
dieser unterwürfige Gang ging ihr ab, wie ihn einige Türkinnen an den Tag
legten, die Augen zu Boden gerichtet. An einer solchen Haltung musste Berenike
noch arbeiten. Vielleicht wenn sie an gewisse Erlebnisse dachte, die sie
früher, als Karrierefrau, niemals für möglich gehalten hätte, nicht heute,
nicht hier mitten in Europa. Sie hatte wie so viele gedacht, Gewalt passiere
nur Frauen in sogenannten Entwicklungsländern. Dem war nicht so, wie sie nach
der Attacke gegen sie selbst immer wieder gehört hatte. Diese allgegenwärtige
Gewalt, allein der Gedanke daran brachte sie um den Verstand. Dass sie Angst
haben musste, allein weil sie eine Frau war! Dass die Polizei Frauen nicht
genügend schützte. Es war zum Verrücktwerden.
    Grübelnd schlich Berenike um den Block. Was, wenn das Café
Ankara hieß, fiel ihr auf einmal ein. Oder Marmara. Was, wenn sich Amélie
geirrt hätte! Hoffentlich nicht …
    Unvermittelt drangen türkische Worte direkt neben ihrem Ohr
in ihr Bewusstsein.
    Eine junge Türkin war vor Berenike stehen geblieben und
schien etwas fragen zu wollen. Apart, rotes Kopftuch, hübsche dunkle Augen, die
sie groß und fragend auf Berenike richtete. Berenike wollte ›keine Ahnung‹
flüstern, im letzten Moment bremste sie sich. Sie schüttelte stumm den Kopf, setzte
einen Blick auf, der ›Tut mir leid‹ signalisieren sollte. Schnell hetzte sie
davon. Verdammt, wenn sie sich jetzt verraten hätte durch deutsche Worte!
Womöglich wären andere auf sie aufmerksam geworden, hätten neugierige Fragen
gestellt, die sie auch nicht verstanden hätte. Sie

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