Ausgetanzt
Beifahrersitz fallen.
Jonas fuhr los und Berenike sah Schatten unter seinen Augen.
Sie wollte ihn berühren, wollte das Grau wegschieben, aber – da war immer noch
die Wut. Sie wollte keine Beziehung mit Eigentumsanspruch. Liebe und Besitzen,
das widersprach sich, dazu war sie zu sehr Freigeist. Nein danke, sie hatte
genug davon gesehen! Das war nichts für sie!
»Gibt’s schon weitere Ergebnisse in dem Mordfall?«
»Nein. Im Gegenteil.«
»Aber ich hab etwas herausgefunden. Über Mehmet, Amélies
Mann. Der hat ein Verhältnis mit Caro gehabt. Und eine sogenannte Braut hat er
auch, in Wien, in Little Istanbul.« Sie schilderte ihm die Erkenntnisse, die
sie so mühsam gewonnen hatte. »Na, was sagst du jetzt? Ich musste das
rausfinden, die Polizei schafft das nicht!«
»Ach, Nike. Es ist schwer, weißt du. Aber danke, dass du
dieses Wissen mit mir teilst. Trotzdem, es war … gefährlich für dich.«
»Ja ja. Ich kann einfach nicht tatenlos zusehen, wie nichts
passiert.«
»Es passiert genug.«
»Nein. Du hättest das über Mehmet nicht rausgefunden.«
»Vielleicht doch. Versteh mich nicht falsch, aber überall
wird eingespart, auch bei der Polizei. Ich hab seit Caros Tod keinen Tag frei
gehabt und keine Nacht viel geschlafen. Glaub’s mir.« Er griff nach ihrer Hand.
Sie ließ ihn einen Moment gewähren. Dann zog sie sie weg.
Auf dem Armaturenbrett lagen Fotos von Sven und einem
weiteren Mann. »Wer ist das?«
»Das ist der sogenannte Beautykiller, der Nagelreiter.«
»Selma sagt, Caro hat diese Geschichte völlig verrückt
gemacht. Sie hat seine Opfer gekannt.«
»Er ist untergetaucht. Alle sind sie wie vom Erdboden
verschluckt, Sven Gerling ebenso, der ist nicht einmal mit dem Familienauto
unterwegs, findest du das nicht seltsam?«
»Ellen braucht wohl das Auto, auch wenn es ein Firmenwagen
ist. Sie haben nur den einen Wagen. Ich habe Sven kurz in Wien getroffen. Na,
das ist ein Typ, sag ich dir! Ich kannte ihn bisher nicht, hat sich nicht
ergeben, weiß nicht, warum. Der hat echt Probleme. Und eifersüchtig ist gar
kein Ausdruck. Einen Kontrollwahn hat der! Du solltest dich mit Inspektor
Jansky in Verbindung setzen.«
»Ja ja«, wimmelte er ab. Er seufzte müde. »Meine neue
Kollegin, die Mara, die ist Profilerin. Sie verfolgt den Verdacht, dass wir es
mit einem Serientäter zu tun haben. Der Mörder hasst schöne Frauen, schließlich
verwendet er Schönheitsaccessoires als Tatwaffen. Das Messer einer Friseurin,
eine Nagelfeile. Schon eine sechs Zentimeter lange Klinge reicht, um mit einem
exakten Stich das Herz zu treffen …« Er griff sich unwillkürlich an die Brust.
»Aber das willst du nicht wirklich wissen.«
»Erzähl es mir.«
»Bist du sicher?«
»Ich bin nicht aus Zucker, wie du weißt.«
»Na schön. Wenn man jemand so ins Herz trifft, verblutet man
nach innen, in den Herzbeutel und die Brusthöhle. Das Herz ertrinkt
gewissermaßen im Blut. Das führt zu einer mangelnden Sauerstoffversorgung im
Gehirn. Man lebt noch ein Weilchen weiter. Eine Viertelstunde, sagt der
Gerichtsarzt.« Jonas sah sie an, während sich draußen die Straßenbeleuchtung
einschaltete.
»Ein Schönheitshasser, das passt zu vielen«, überlegte
Berenike. »Sven schimpft über seine Schauspielermutter, sagt Ellen und auch
Katharina hat so was angedeutet. Vielleicht hasst er sie immer noch …, aber
Sven ein Mörder, das glaub ich nicht.«
»Was glaubst du, wie oft ich den Satz bei meiner Arbeit
höre!« Jonas versuchte, sich bequemer hinzusetzen. »Einem Mörder siehst du sein
Tun nicht an, er rennt nicht mit blutunterlaufenen Augen herum. Früher haben’s
geglaubt, dass die Kopfform auf eine verbrecherische Veranlagung schließen
lässt. Aber das ist Humbug.« Er schlug auf das Lenkrad und fuhr die Kurve an der
Scheichlmühle vorbei, hinein nach Altaussee. »Ach, es ist zum
Aus-der-Haut-Fahren. Nichts passiert! Dabei tun wir alles, Handy peilen und die
Wohnorte überwachen …«
»Da werden sich die Frauen aber freuen. Wenigstens wird sich
Adi nicht mehr an sie ranmachen.«
»Hmhm.« Jonas war in Gedanken woanders.
»Eins ist aber komisch. Wenn es ein Serientäter sein soll,
warum wurde dann nur Caro so verstümmelt?«
»Gute Frage.«
»Und er hat einen Teil der Leiche versteckt – ist der
eigentlich schon aufgetaucht?«
»Nein, leider nicht. Dabei wurde überall rund um den See und
sogar entlang der Traun danach gesucht.«
Eine Weile schwiegen sie beide. Der Weg führte sie am See
vorbei, er
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