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Ausgetanzt

Ausgetanzt

Titel: Ausgetanzt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anni Bürkl
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eigenes Geschlecht immer noch lieber«, fuhr
Selma fort.
    »Ach ja?« Denise strich sich über ihr Haar und sah neugierig
zwischen den anderen hin und her. Sie wirkte so feminin, wie Doris Day in einem
50er-Jahre-Film.
    »Du weißt nicht, was du dir entgehen lässt, Denise. Aber du
bist jung, es kann ja noch kommen …« Selma lachte anzüglich.
    »Nein, sicher nicht!«, rief Denise.
    Jetzt waren sie enthemmt, Berenike konnte es körperlich
spüren. Die Suche, der Verdacht. Caro hatte die Gruppe wohl geeint. Jetzt hieß
es: jede gegen jede.
    »Brechen wir ab?« Berenike sah in die Runde. Einstimmiges
Nicken. Ellen half ihr, alles wieder einzupacken. Selma rauchte gemeinsam mit
Gerhild noch eine Zigarette. Valerie war in den Wald gegangen, pinkeln. Einsam
stand Denise herum, zupfte an ihrem Kleid und sah finster zu Selma.
    Im letzten Tageslicht machten sie sich auf den Weg hinunter
in den Ort. Die Seilbahn verkehrte nur bis 19 Uhr. Trotzdem begegneten sie
keinem Menschen auf dem Serpentinenweg.
    »Ich kenn eine Abkürzung«, schlug Ellen nach einer Weile vor.
    »Ja? Wo denn?«
    »Hier.« Ellen zeigte auf einen kaum sichtbaren, schmalen Weg.
    »Sollen wir das wirklich riskieren?«
    »Es geht wirklich bedeutend schneller«, Ellen klapperte ein
wenig mit den Zähnen vor Kälte.
    »Na schön.«
    Ellen ging voran, auf einmal stoppte sie. Ein Geräusch. Auch
die anderen bemerkten es.
    »Was ist das?«, flüsterte Ellen und klammerte sich an
Berenikes Arm wie ein Äffchen, obwohl sie so groß war.
    »Jemand singt«, murmelte Denise und sah gar nicht mehr
selbstsicher aus.
    Schritte. Unterholz knackte. Das Geräusch kam näher. Ein
Singsang.
    »Seht ihr das?« Valerie flüsterte. Jemand kam auf sie zu,
tatsächlich. Bewegte sich schief und gebückt, einseitig wie ein alter Mann,
schob mitunter in den Weg gewachsene Zweige zur Seite.
    »Adi!«, kreischte Selma, dass Berenikes Herz Salto mortale
schlug. »Wie oft hab ich dir gesagt, du sollst die Leute nicht erschrecken?«
    »Tut mir leid, Selma.« Der verrückte Hallstätter Müllmann strich
sanft, so sanft über Selmas Jackenärmel, während er weiter vor sich hinsummte.
»Komm mit, bitte.« Seine Stimme war ein raues Flüstern. Er zupfte an Selmas
Ärmel. »Ich muss – muss dir was zeigen, Selma.«
    »Na gut, aber nur, wenn du uns nicht mehr solche Angst
einjagst.«
    Adi nickte demütig und ging los, sie folgten ihm. Seine
speckige Kluft hatte er auch heute nicht abgelegt. Es ging durch den Wald, ein
Stück bergauf, dann bergab. Laute kamen aus seinem Mund, es war fraglich, ob
Selma ihn verstand. Der Wald war finster und sie folgten einem Gestörten.
Blendend. Auch wenn Selma immer wieder betonte, dass er harmlos war. Arm und
harmlos. Zumindest waren sie viele. Viele gegen einen, der geistig nicht auf
der Höhe war. Trotzdem war es ein ungutes Gefühl für Berenike.
    Adi schwenkte auf einen Weg ein, den sie alle übersehen
hätten. Einen ausgetretenen Weg, wenn man die Heckenrosen überwunden hatte.
Hinter den bockigen Zweigen mit ihren Dornen tat sich eine Mulde auf. Laub, das
Adi wegschob. Darunter kam eine Steinplatte zum Vorschein. Ein Gitter, das sich
ohne Mühen zur Seite bewegen ließ. Etwas wie ein Bunker. Ein schmaler Gang, der
abwärts führte. In den Berg hinein. Sie standen auf Beton. Und darauf … rote
Flecken. Die sich in den alten Stein eingefressen hatten. Nur wenn man genau
schaute. Wirklich nur dann. Waren sie als Blutflecken erkennbar.  
    Übelkeit und Hinknien waren eins. Berenike würgte.
    Adi zerrte an Selmas Jacke. »Bitte.« Nur ein Wort.
Eindringlich.
    Also stand Berenike wieder auf. »Bleibt hier stehen«, bat sie
die anderen. Sie folgte Adi und Selma. Zu dritt standen sie gleich darauf in
einer Art Bunker. Adi brachte nur mehr unverständliche Laute heraus. Berenike
zerrte an Lumpen, legte Kisten und Gerümpel frei. Zerbrochene Flaschen, alte
Dosen. Wieder eine rote Spur. Blut. Vielleicht von einer Jagdbeute, nicht von
einem toten Menschen. Die Hoffnung bäumte sich auf.
    Adi zappelte, seine muskulösen Arme schlenkerten an seinen
Seiten. Ein Schaudern, leise noch, dann immer stärker, das in ein Zittern überging.
Selma deutete auf die Wand, wies auf rote Spuren, die jemand mit den Fingern
auf die Mauer gemalt hatte. Ein seltsames Symbol. Einem Hammer ähnlich. Thors
Hammer, dachte Berenike noch. Sie wollte nur noch weg von diesem Typen, der sie
mitten im Nirgendwo an einen blutigen Ort führte.
    Adi nahm Selmas Hand, dann die von Berenike.

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