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Ausgeträllert (German Edition)

Ausgeträllert (German Edition)

Titel: Ausgeträllert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
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offensichtlich von Kai-Uwe Hasselbrink zurückerobert worden war. Als das nichts half, versuchte er es auf Deutsch: »Weg mit deine Fingers von meine Topfe ... Hassebinke, isse bringe diss um ...!«
    Winnie zückte sein Handy und machte ein Foto. »Für alle Fälle«, sagte er. »Wer weiß, wozu man es noch gebrauchen kann.«
    »Bestenfalls als Vorherfoto von einem Tatort«, gab ich zu bedenken, und nahm noch einen Strohhalm voll Sangria.

Kapitel 4
    In meinem Kopf dröhnte es. Ich stellte den Wecker aus und setzte mich im Bett auf. Draußen goss es in Strömen, und ich hatte nur zwei Stunden Schlaf gehabt – wie sagt man da? Good morning Vietnam!
    War nur zu hoffen, dass das Zelt, in dem Günni Heibuch seine original Ritter-Ochsenbraterei untergebracht hatte, auch dicht war. Schlimm könnte auch die Nachbarschaft zur Gauklertruppe werden, deren Zelt ich auf dem Lageplan direkt neben unserem lokalisiert hatte. Täglich sollten dort drei Hinrichtungen gezeigt werden, und dann rollte auch noch stündlich der Musikantenzug mit Dudelsack, Leier und Schalmeien durch die Gassen, und allabendlich waren Mittelalterbands angekündigt, die auf der Hauptbühne gegenüber vom Ochsenzelt spielen sollten. Den Anfang würde die Band
Cocolorus Tivoli
machen. Ich stellte mir wild gewordene, ungewaschene Kerle mit fusseligen Haaren vor, die in löchrigen Strumpfhosen mit Schellenkranzbehang über die Bühne humpelten und in gefaktem Mittelhochdeutsch herumgrölen würden. Eigentlich eine wunderbare Freizeitbeschäftigung für Kai-Uwe Hasselbrink – dem auf der Gitarre zuzuhören, erinnerte auch an finsterstes Mittelalter. Insofern hätte er als Ritter von der traurigen Gestalt bestens in die Szenerie gepasst.
    »Du bisse trube Tasse und kannze nich kussen«, hatte Raoul ihm erst letzte Woche an den Kopf geworfen. »In meine Heimat, die Leute habe’ Lebensss
freude
... du hasse Depression, dass kommt aus dir gedampft ... Mache Geschäfte kaputt. Geh ssuch eine Frau, wenn du bisse Mann mit Collons in die Hose. Oder soll ich dir sseige, wie man kusst richtig?«
    Ich warf einen Blick ins Badezimmer. Der Flokati dümpelte immer noch in der Wanne. Ich erledigte meine Katzenwäsche am Waschbecken und schlich zurück ins Gästezimmer, um das Kostüm anzuziehen. Wie gut, dass Wilma noch im Tiefschlaf war. Ihren giftigen Kommentaren um diese Uhrzeit ausgesetzt zu sein, hätte mich sofort zurück aufs Lager geworfen. Ich band die Enden der Filzkappe unterm Kinn fest und guckte in den Spiegel. Mit einem schwarzen Kajal malte ich mir eine dicke Warze auf die rechte Wange und hatte plötzlich einen alten Kinderreim im Kopf: Hexe Kau Kau Kau, hat die Nase blau ... Genau, ich verschmierte noch ein bisschen Kajal auf meinem Gesicht und tupfte Wilmas blauen Chanel-Lidschatten auf die Nasenspitze – so viel hatten die im Mittelalter ja nicht gebadet, da konnte ein bisschen Dreck nicht schaden. Als ich mit meiner Maske fertig war, hätte ich in
Jabberwocky
mitspielen können, ohne aufzufallen. Fragte sich nur, wer sich beim Anblick dieser mit Pestbeulen verseuchten Alten noch ein Stück gegrillter Ochsenbrust schmecken lassen konnte. Günni, dachte ich, du hast es so gewollt. Jetzt kriegst du die volle Packung Authentizität. Außerdem war es jetzt zu spät für Korrekturen – ich musste mich beeilen, wenn ich vor meinem Rücksturz ins Mittelalter noch einen Espresso trinken wollte.
    Als ich in die Küche kam, saß Acki am Küchentisch und inspizierte die Wohnungsanzeigen. Ein paar hatte Wilma mit rotem Stift dick umrandet.
    »Morgen, Acki. Wo kommst du jetzt her?«
    Acki brach bei meinem Anblick in schallendes Gelächter aus. »Dasselbe könnte ich dich fragen.«
    »Ich komme aus dem Bett und ich gehe jetzt ins Mittelalter. Schon vergessen, ich brate einen ganzen Ochsen am Spieß.«
    »Ach, ja stimmt. Ich komme von der Fahrradmesse ... ist spät geworden, und ich dachte, ich schau mal rein und frühstücke mit Wilma, bevor ich ins Koma falle.«
    Er schob die Zeitung beiseite und hielt mir ein Brötchen hin. »Willste?«
    Ich nahm das Brötchen, ohne mich zu bedanken, und wartete darauf, dass der Kaffee gurgelte. Dabei las ich demonstrativ die Informationen auf der Espresso-Dose.
    »Schlechte Laune, Maggie?«
    »Könnte man so sagen. Und zusätzlich hab ich einen Kater.«
    »Suchst du’ne Wohnung?«, fragte er und wies auf die Zeitungsanzeigen.
    »Muss ich wohl.«
    »Hat es mit dem Flokati im Badezimmer zu tun? Ich wollte nämlich gern noch duschen

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