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Ausgeträllert (German Edition)

Ausgeträllert (German Edition)

Titel: Ausgeträllert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
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auf die Ochsenbraterei zu und hatte liebe Mühe, den Kaffee in meiner Tasse zu behalten. Ein Henkersgeselle, der mehr danach aussah, als sei er aus einer Bondage-Show entlaufen, rief mir zu, dass die Tasse aber nicht stilecht sei ... ich solle mir einen Holzbecher besorgen, sonst würde er es dem Marktleiter melden.
    »Dann geh doch petzen«, rief ich. »Bin gespannt, welches Wort du im Mittelhochdeutschen für Tasse Komma Porzellan verwenden willst. Und auch noch eine Vokabel für Espresso!«
    Der Henker spuckte vor mir aus, schulterte seine riesige Axt und trollte sich.
    Im selben Moment kam eine Gruppe Burgfräulein vorbei, begleitet von vier Pagen, die ein aufgespanntes Fell an langen Stöcken über die Köpfe der Damen hielten, damit ihre Spitzhüte nicht nass würden. Huldvoll nickten sie Gero von Briesenheim zu, der es sich nicht nehmen ließ, die zweite Strophe zu Walther von der Vogelweides Fräulein-Anbetung zu einer beinahe atonal anmutenden Melodie zu singen:
    »Sie verwizent mir daz ich
    ze nidere wende minen sanc
.
    Daz si niht versinnent sich ...«
    Die holden Damen klatschten in die Hände und beeilten sich, ins Musikantenzelt zu flüchten. Ein Herold, der vor dem Zelt stand, verkündete die Bereitstellung diverser warmer Getränke sowie Brot und Schinken für alle, während ein Bettler herbeihumpelte und mit krächzender Stimme verkündete, seine nässenden, schwärenden Furunkeln jedem zu zeigen, der bereit sei, ein Scherflein zu zahlen. Gero von Briesenheim schubste den Bettler zur Seite, was dieser mit einem: »Möge dir dein Skrotum bei lebendigem Leibe verfaulen«, quittierte. Dann lachten beide und torkelten Arm in Arm ins Zelt. Der Bettler stopfte schnell noch die Kopfhörer seines i-Pod unter die Lumpen. Die müffelnde Präsenz dieser beiden schlechten Schauspieler hielt mich prompt davon ab, dem Angebot auf ein Schinkenbrot zu folgen. Zuerst wollte ich einen Blick auf Ritter Gandalf und unseren Ochsen werfen, bevor ich mich komplett in die Twilight-Zone, genannt ›finsterstes Mittelalter‹, begeben würde.
    Ich rief nach meinem Chef, aber niemand antwortete. Aus dem Musikantenzelt hörte man jemanden unverdrossen auf einer Leier brumfideln. Ein paar Neuzeitmenschen, die mit ihren Aktentaschen unter dem Arm in die umliegenden Büros und Geschäfte eilten, blieben kurz stehen und schüttelten die Köpfe.
    Ich ging um das Zelt herum und rief wieder nach Günni. Endlich fand ich die Verschnürung für den Eingang. Der Knoten hing draußen. Ich fragte mich, ob die drei Heibuchs etwa gestern den Ochsen angesetzt hatten und dann fröhlich nach Hause gefahren waren? Mich hatten sie in der
Roten Laterne
ja auch vergessen. Die werden doch wohl nicht den Frevel begangen haben, einen elektrischen Motor zu benutzen, der den Ochsen am Spieß über dem Feuer drehte, dachte ich, und im selben Moment fiel mir eine noch schrecklichere Möglichkeit ein: Wolfi allein zu Haus und Günni in irgendeinem Zelt, um ein Schwätzchen zu halten. Nach welchem Prinzip Wolfi wohl die Inneneinrichtung mittlerweile sortiert hatte?
    »Bei meiner Seel’, riecht das gar köstlich«, sagte plötzlich eine tiefe Stimme neben mir und verfiel dann sofort wieder in Normalsprache. »Ich meld mich gleich mal zum Probeessen an.«
    Ich drehte mich um und blickte in die dunkelbraunen Augen eines Ritters von außerordentlich wohlproportionierter Gestalt. Am Zügel hielt er ein auf Hochglanz poliertes, riesiges schwarzes Pferd, das in der kompletten Kampfmontur eines mittelalterlichen Kriegszossen steckte.
    »Hallo«, sagte ich. »Erst mal muss ich meinen Chef finden, bevor es was zu essen geben kann. Und wer sind Sie?«
    »Der schwarze Ritter. Ich dachte, das könnte man erkennen«, sagte er und hob einen schwarzen Schild hoch, auf dem ein dunkelroter Phoenix prangte. Er deutete eine Verbeugung an und seine langen, schwarzen Haare fielen ihm dabei auf recht attraktive Art und Weise ins Gesicht.
    »Aha. Jetzt, wo Sie es sagen. Ich bin die Pesthexe.«
    »Auch das unschwer zu erkennen. Tja, war nett, dich kennengelernt zu haben. Die Inzucht auf diesen Mittelaltermärkten macht einem auf die Dauer zu schaffen, und da ist man immer froh über ein neues Gesicht.«
    »Aha?« Der muss ja schwer ausgehungert sein, dachte ich, dass ihm der Anblick meines pestverseuchten Gesichts eine positive Überraschung bereitet.
    »Ja ... sind halt immer dieselben Leute ... äh ... Ich hab schon nachgeguckt, aber vom Ochsenbrater ist weit und breit nichts zu

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