Ausgeträllert (German Edition)
hören?«
Raouls Kopf verschwand aus der Luke, ich hörte die Türen auf- und zuklappen. Dann stand er vor mir und sagte: »Rausse ausse meine Kuche. De pressa!«
Gregor schaute noch nicht einmal auf, als ich mich wieder an den Tisch setzte. Ich guckte ihm dabei zu, wie er mit dem Löffel auch noch das allerletzte Fitzelchen aus der Schüssel kratzte. Als er fertig war, stieß er einen zufriedenen Seufzer aus, rülpste und streckte sich.
»So, danke für die Einladung. Ich muss zurück zum Markt, das Feuerrad und so weiter. Eine Katastrophe pro Tag reicht mir.«
»Gehst du nicht ins Präsidium und hilfst deinem Ritter? Oder besorgst ihm einen Anwalt?«
Er beugte sich über den Tisch und sagte: »Rechne es selber aus: Meine Truppe hat sechsunddreißig Gaukler. Wie viel sind sechsunddreißig mal sechsunddreißig mal sechsunddreißig? Häh? Siehst du. So viele Probleme kannst du jeden Tag haben, wenn du dich in dem Business tummelst, so wie ich.«
»Und was machst du, wenn Roland nicht wiederkommt … ich meine …?«
»Was schert es mich, was der angestellt hat. Ich bin ja nicht seine Mama. Und: Abgehalfterte Stuntmänner gibt’s an jeder Straßenecke. Also, wenn du jetzt mitkommen willst? Das mit dem Feuerrad ist’ne Supershow – und danach hab ich frei. Und eins noch Mädel«, säuselte er plötzlich, »An mir ist nicht alles so klein, wie es aussieht.« Er fuhr sich mit der Zunge über die Lippen. »
Love the one you’re with
… Mein Angebot steht – und wie das steht.« Er nahm einen Zahnstocher aus der Menage und schob ihn sich zwischen die Zähne. Ich fragte mich, ob es wohl politisch korrekt sei, einem kleinwüchsigen Mann mitzuteilen, dass man ihn ziemlich unsympathisch findet und dass das mit seiner Größe gar nichts zu tun hat. Bevor ich mich wirklich entschieden hatte, hörte ich mich sagen: »Halt einfach die Klappe, du geiler Gnom.« Dann winkte ich Hasselbrink zu und rief: »Ey! Kai-Uwe, schnapp dir Shorty, er hat den Boss angepupst.«
Gregors Lachen erstarb, und er beeilte sich, vom Stuhl herunterzuklettern. Dabei fielen ein paar Schallplatten krachend auf den Boden.
»Ich darf doch behilflich sein, Alberich«, sagte Kai-Uwe, packte den kleinen Mann und schleppte ihn nach draußen.
Ich ging zur Espressomaschine, stellte eine Tasse hinein und drückte auf ›go‹.
Als Hasselbrink zurückkam, nahm er die volle Tasse aus dem Automaten und sagte: »Die kannst du auch auf dem Weg trinken. Gute Nacht, Maggie! Und wenn eine von den Schallplatten auch nur einen Kratzer hat …«
»Ich geh ja schon«, sagte ich und stolperte hinaus. Der heiße Espresso schwappte aus der Tasse und lief über meine Hand.
Neben meinem Kopf ging das Küchenfenster auf und Raouls Gesicht erschien im Fensterrahmen. Er reichte mir ein Käsesandwich durchs Fenster und sagte: »Geh und helfe Rudi. Isse habe das gehörte vorhin, was du gessagt Winnie. Wenn de Rudi hatte Reife geklaut für diss, du musst dasse regele. Oder hasse du keine Collons in die Pantalons?«
Hatte ich Collons in die Pantalons? Es kam auf einen Versuch an.
Kapitel 11
Seidel thronte in seinem Büro hinter dem Schreibtisch. Ich wartete ein paar Minuten, aber Monsieur wollte noch immer nicht guten Abend sagen, geschweige denn mir einen Stuhl anbieten.
»Herr Seidel, guten Abend. Ich störe nur ungern, aber ich möchte eine Aussage wegen des Reifendiebstahls machen, der Rudi Rolinski zur Last gelegt wird«, eröffnete ich die Partie.
»Ja, und?«, sagte er und lehnte sich in seinem Stuhl zurück.
»Ich habe die gestohlen. Das war nicht Herr Rolinski. So! Jetzt ist es raus. Kann Rudi jetzt wieder nach Hause gehen?«
Seidel ließ sich alle Zeit der Welt dabei, mir keine Antwort zu geben.
»Was wollen Sie denn noch hören, Herr Kommissar? Ich gebe meinem Ex die Reifen zurück und damit hat sich die Sache. Der soll sich nicht so aufspielen und aus einem kleinen Beziehungsstress einen Fall für den Staatsanwalt machen.«
Seidel lehnte sich in seinem Schreibtischstuhl zurück und blätterte intensiv in den Akten. Dabei polkte er sich mit dem kleinen Finger zwischen den Zähnen herum.
»Okay, ich hole Winnie Blaschke oder Karin oder Peter, die können mein Geständnis zu Protokoll nehmen; Sie haben offensichtlich keine Zeit dazu.«
Ich drehte mich um und ging zur Tür. Plötzlich wurde Seidel lebendig und sagte: »Moment, Moment. Ich würde Ihnen ja sehr gerne Glauben schenken. Nichts habe ich lieber als das Geständnis eines reuigen Sünders, der
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