Ausgeträllert (German Edition)
auf den Pfad von Recht und Gesetz zurückkehren will … und so weiter und so weiter … Das Problem ist nur, jetzt habe ich gleich zwei davon. Wollen Sie mit Ihrem Geständnis also sagen, dass Sie die Reifen mit Herrn Rolinski gemeinsam gestohlen haben?«
»Nein, will ich nicht. Ich habe die alleine gestohlen. Herr Rolinski hat damit nichts zu tun.«
Ich ging zum Schreibtisch zurück und baute mich davor auf. »Alleine, Herr Seidel. Ich alleine. Wollen Sie nicht mal langsam das Protokoll aufnehmen? Herr Rolinski lügt, weil er mich schützen will.«
Seidel wuchtete sich aus seinem Stuhl, ging ein paar Schritte durch das Büro und öffnete die Schiebetür eines Schranks. Dahinter verbargen sich ein Fernseher und ein Videoplayer. »So«, sagte er. »Und jetzt mal aufgepasst, mitgedacht, Frau Abendroth. So heißen Sie doch? Richtig? Sie nehmen besser mal Platz.«
Ich ließ mich auf den Hocker fallen, der vor Seidels Schreibtisch stand, und befürchtete das Schlimmste. Und bekam es auch gleich darauf zu sehen. Die Schwarz-Weiß-Bilder einer Überwachungskamera aus einem Parkhaus.
»Ein sehr schöner Film aus der Sicherheitszone des Parkhauses 2, Ebene 22, um genau zu sein«, erklärte Seidel und lehnte sich auf seinem Stuhl zurück.
SILENT MOVIE: TEIL 1
THE THIEF
Der Volvo von Mattis Bestattungsinstitut fährt in die Garage, für mich deutlich an der seinerzeit noch unvollständigen Beschriftung, samt Mattis Logo an den Türen.
Der Wagen parkt zwei Stellplätze neben dem Volvo des Knipsers. Eine Person holt das Radkreuz aus dem Kofferraum und Ziegelsteine. Das alles wird zum übernächsten Stellplatz geschleppt und neben dem Volvo des Knipsers abgelegt. Die Person trägt eine Mütze. Das Gesicht ist nicht zu sehen.
Geschult durch mehrere tausend Folgen amerikanischer Krimiserien, fühlte ich mich bemüßigt zu sagen: »Ja, und? Das kann doch jeder sein unter der Mütze. Glauben Sie, ich könnte keinen Volvo fahren oder Reifen abmontieren?«
»Sie sollten sich doch mit Filmen und deren Dramaturgie bestens auskennen, Frau Abendroth … bei Ihrer Vergangenheit. Warten Sie nur ab.« Seidel puzzelte ein Bonbon aus einem Papier und schob es sich in den Mund. »Ich würde Ihnen gerne eins abgeben, aber es war das letzte, das ich hatte«, nuschelte er.
»Wenn der Film Überlänge hat, hätte ich lieber Popcorn.«
»Ja, ja … Das Spannendste kommt immer zum Schluss.«
SILENT MOVIE: TEIL 2
THE RETURN OF THE THIEF
Die Person auf dem Video verstaut alle vier Reifen im Kofferraum des Bestattungswagens, macht den Kofferraumdeckel zu und geht wieder zum Volvo des Knipsers und dann … nimmt sich der Dieb alle Zeit der Welt, um sein Werk eingehend zu betrachten. Er rüttelt am Auto, um zu überprüfen, ob die Ziegelsteine das aufgebockte Auto auch wirklich halten.
Geh, geh ins Auto und fahr weg, dachte ich. Geh, und mach keine Mätzchen, Rudi. Hau da endlich ab.
SILENT MOVIE: TEIL 3
THE THIEF GOES DOWN THE DRAIN
Rudi betrachtet sein Werk, nimmt die Mütze ab und kratzt sich die blitzblanke Murmel. Dann geht er in aller Seelenruhe zurück zum Leichenwagen und dreht beim Einsteigen auch noch das Gesicht in Richtung Kamera.
Klappe, gestorben, das war’s für heute und vermutlich für immer.
»Und? Was sagen Sie dazu?« Seidel drehte sich auf seinem Stuhl wieder zu mir. »Hatten Sie eine Glatze an dem Tag? Oder haben Sie sich mittels schwarzer Magie für ein paar Stunden in Rudi Rolinski verwandelt?«
»Nein«, sagte ich.
»Sehen Sie, ich hatte doch recht. Und ein Diebstahl bleibt ein Diebstahl, und Rolinski ist auf Bewährung … war auf Bewährung, sollte ich wohl sagen.«
»Die dämlichen Reifen hat die Versicherung längst ersetzt. Ich bitte Sie, Herr Seidel. Lassen Sie mich die Reifen zurückbringen. Ich erkläre meinem Ex, warum Rudi das gemacht hat, und er zieht seine Anzeige zurück. Bestimmt. Aber bitte, lassen Sie Rudi jetzt gehen. Es besteht doch keine Fluchtgefahr. Oder so was.«
Es klopfte an Seidels Bürotür. »Ja, bitte!«, rief er.
Die Tür ging auf.
BONUS EPISODE:
RUDI’S ELEVEN
»Guten Abend, Herr Seidel. Bietiniemolainnen, mein Name. Ich möchte eine Aussage machen«, sagte Matti.
So viel zum Thema: Wartet bis in alle Ewigkeit …
»Ja, wir machen alle eine Aussage«, sagten Elli, Mia und Berti. Dabei machten sie sehr entschlossene Gesichter.
»Tut mir leid, Freunde, ich war zuerst da«, sagte ich.
Seidel sprang auf und stützte sich an seinem Schreibtisch ab.
»Sie verlassen mein Büro
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