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Ausgeträllert (German Edition)

Ausgeträllert (German Edition)

Titel: Ausgeträllert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
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Unterschied, ob man einen Fernsehproduzenten vor sich hat, dem man ein noch nicht geschriebenes Filmskript verhökert, oder einen Musikmanager, dem man ein noch nicht gekochtes Galabuffet schmackhaft macht. Wenn in den nächsten Minuten kein Wunder geschah, würde ich mein letztes Geld für ein Kochbuch ausgeben müssen.
    Raoul lehnte an der Theke, als ich in die Kneipe zurückkam. Neben sich einen kleinen Koffer und einen Seesack über der Schulter. Er sah mich, knallte einen dicken Schlüsselbund auf die Theke und sagte: »De Hassebinke kann sehe, wo’sse bleibt.
Em toca els collons!
«
    Ich schickte einen Gruß an alle guten Geister im Universum und sagte so unbeteiligt wie möglich: »Wo willst du denn hin?«
    »Hab ich Job in El Bulli, bei Ferràn Adria. Dasse isse die Orte, wo ssollte iss sein. Bei die beste Koche der Welt. Nisse hier bei diesse Hippie.«
    »Aha, super, Raoul«, sagte ich und dachte: Mein Reden – beide befinden sich jenseits jeglicher Realität. Der eine nagelt Türen zu und der andere behauptet, einen Job bei einem unerreichbaren Sternekoch zu haben. Mit anderen Worten: Raoul war verzweifelt genug, mir so einen ausgemachten Blödsinn aufzutischen. Ich glaubte keine Sekunde daran, dass er einen Job im
El Bulli
antreten würde.
    Ich ging hinter die Theke und stellte zwei Kaffeetassen in die Espressomaschine. Das kleine Wunder war geschehen – Raoul war aufgetaucht. Jetzt musste nur noch meine Taktik stimmen.
    Von oben setzte das Gehämmer wieder ein und erinnerte mich daran, dass die Gefahr keine 13 Stufen weit weg lauerte. Entweder endete das hier in den nächsten Minuten in einem blutigen Finale zwischen Hasselbrink und Raoul oder einer tränenreichen Versöhnung. Beides hätte mir einen Strich durch die Rechnung gemacht.
    Raoul ließ den Seesack fallen und starrte an die Decke. Ich stellte ihm den Espresso auf die Theke, nahm den teuersten
Carlos Imperial
Brandy aus dem Regal und goss ihn auf seinen Kaffee.
    »So«, sagte ich. »Wo willst du noch mal hin? Ich kann es nicht glauben, wenn ich es nicht noch mal höre.«
    Raoul kippte den Espresso runter, nahm mir die Flasche aus der Hand und trank daraus. »Imperial ssoll man nisse verdunne mit Kaffee«, sprachs und nahm noch einen großen Schluck.
    Noch fünfundvierzig Minuten bis zum Meeting mit Racic und noch höchstens vier Schlucke, und mein Starkoch würde vor der Theke einschlafen.
    »Hör mal zu. Ich habe einen Superjob für dich.«
    Er guckte mich an, setzte die Flasche aber nicht ab. Ich hielt seinen Arm fest. »Hör mir mal zu. Einen Job. Nur für drei Tage. Danach kannst du zum El Bulli fahren, wenn du willst. Ich meine, auf so einen wie dich warten sie doch bestimmt. Oder?«
    Seine schwarzen Murmelaugen blitzten. »Wie viel?«
    »Ein Catering für eine After-Show-Party. Der Event des Jahres in der Kongresshalle. Du hast doch die Plakate gesehen. Die Bochumer Nachtigall, Madame La Rose, ist wieder da und feiert ihr Comeback. Alles total exklusiv. Die Party ist auf dem Kemnader Stausee auf dem Ausflugsboot. Siebzig handverlesene Leute aus Wirtschaft, Politik und Medien. Verstehst du? Da kommen Produzenten und Stars – und wer weiß? RTL-Aktuell vielleicht ... und ...«
    »Wie viel?«, fragte Raoul wieder und stellte die Flasche ab. Was sollte ich denn jetzt sagen? Mit so einem spontanen Entgegenkommen hatte ich nicht gerechnet. Ich nahm selbst einen Schluck aus der Brandyflasche und überlegte. Der Einzige, der mir eine Antwort darauf geben konnte, war Kai-Uwe. Was wusste ich denn, was Köche so verdienen? Bestimmt nicht 6,50 Euro pro Stunde, so wie ich.
    »Warte mal eben. Nicht weglaufen.« Ich spurtete nach oben, nahm Hasselbrink den Hammer aus der Hand und zischte: »Was bekommt Raoul am Abend?«
    »Häh?«
    »Was zahlst du dem Irren?«
    »Der kriegt dreitausend Brutto im Monat.«
    »Was gibst du mir, wenn ich ihn dir auf der Stelle vom Hals schaffe?«
    »Bist du wahnsinnig? Leg dich bloß nicht mit dem an. Der will meinen Laden übernehmen. Der ist größenwahnsinnig«, flüsterte er mir zu und schob hinter vorgehaltener Hand hinterher: »Wusstest du, dass der eine Schalker Ratte ist? Ich habe einen Verräter an meinem Busen genährt, jahrelang.«
    »Wie kommst du denn da drauf?«
    »Mir ist klar geworden, was die blau-weiß-karierten Spültücher in der Küche wirklich bedeuten.«
    »Was? Der VfL ist doch auch blau-weiß ...?«
    »Aber anders blau-weiß ...« Hasselbrink kniff die Augen zusammen und schob den Unterkiefer

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