Ausgeträllert (German Edition)
nächsten Mittag bereits in Duisburg sein ... Pressekonferenz. Tja, es geht Schlag auf Schlag mit den Terminen.« Racic nahm ein Blatt Papier aus der gelben Mappe, ließ es durchs Fax laufen und gab mir die Kopie. »Das hier ... also, hier steht genau drin, was ich mit Günter Heibuch besprochen hatte ... Bitte richten Sie sich danach. Wir wollen es genauso haben, wie es da drinsteht.«
Ich warf einen Blick auf die Speisenauswahl und wollte eben sagen, dass das alles kein Problem sei, als ich von Raoul ausgebremst wurde.
»Kann isse eine Freikarte ... für dasse Konzert? Isse binne grosse Faaan von Señora La Rose«, sagte er.
Racic kratzte sich kurz den Kopf. »Das ist ... schön. Aber ... Ich dachte, Sie sind der Koch? Wie wollen Sie denn ...?«
»Äh ... ja«, sagte ich. »Ja. Aber wie schon gesagt ... er ist ein großer Fan von La Rose. Er betet sie an, sozusagen. Es muss ja nicht dieses Konzert sein.«
Racic lächelte Raoul an und öffnete einen Schrank zu seiner Rechten. »Na dann. Hier ist die aktuelle CD. Und ... ich sehe mal zu, was ich für Sie tun kann. Ist ja alles ausverkauft. Vielleicht kann ich für Oer-Erkenschwick in zwei Wochen ... könnte ich ... eventuell ...«
Raoul nahm die CD entgegen, drückte sie an seine Brust und seufzte aus tiefstem Herzen. Dank des Cognacs strahlten seine Augen wie die Sonne an der Costa Brava, und Racic war zufrieden.
»Sie auch eine?«, sagte er zu mir.
»Äh ... ja. Gerne. Ich hätte mich jetzt gar nicht getraut zu fragen. Also ... vielen Dank.«
Kaum ausgesprochen, war auch ich stolze Besitzerin einer CD, deren Coverfoto die Initialen des Knipsers trug. Das Telefon klingelte, und Racic winkte uns hinaus.
Vor der Kongresshalle atmete ich erst mal durch, zündete mir eine Zigarette an und sagte: »Bist du meschugge? Wie kannst du nach einer Freikarte fragen? Du bist der Cateringchef! Wie willst du da in ein Konzert?«
»Ja, eben. Seffe musse nix mache ... Assistente mache.«
»Pass mal schön auf! Ich bin deine einzige Assistentin. Und ich kann nicht kochen. Wir müssen das irgendwie zusammen durchziehen, verstehst du? Einkaufen, kochen, dekorieren etc. pp. Der Einzige, der uns noch helfen wird, ist der schwachsinnige Sohn vom Chef, für den ich dir noch beizeiten eine Gebrauchsanweisung geben werde. Okay? Capito!?«
»Warum du klausse die Mappe?«
»Lenk nicht ab. Ich hab die mitgenommen, weil ich die schon den ganzen Tag gesucht habe. Das ist die Mappe von Günni. Ich wollte nicht, dass Racic mitkriegt, dass Günni die hat liegenlassen. Das wäre echt peinlich. Stell dir mal vor, der kommt auf die Idee und gibt den Auftrag jemand anderem, weil er uns nicht zutraut, den Job zu stemmen ... Außerdem ist da alles drin, was wir brauchen – Einkaufsliste, Kalkulation und so weiter ... Spart uns eine Menge Arbeit, wenn du verstehst. Das gucken wir uns gleich mal an.«
Raoul hörte mir gar nicht mehr zu, er war in die Betrachtung des vier mal sechs Meter Prospektes, der an der Frontseite der Kongresshalle hing, vertieft. La Rose winkte uns aus luftiger Höhe zu.
»Sie wird da sein«, flüsterte ich ihm ins Ohr. »Sie wird dir die Hand schütteln, und du wirst der Chef sein. Raoul, bitte. Mehr geht nicht.«
»Iss habe gleiss gewusste, dass isse faul was an die Job.«
»Da ist nichts faul an dem Job. Es ist ein reeller Job«, sagte ich.
»Wenn iss mache dasse niss, dann du biste ...«, er fuhr sich mit der Hand über die Kehle. »Dass isse der Wahrheit. Iss rette deine Arsch.«
»Hab ich je was anderes behauptet? Bitte! Ich leg auch noch’n Hunderter drauf. Aber das darf alles Petra Heibuch nicht erfahren. Versprich es.«
Ich holte das Geld aus der Hosentasche, zählte fünfhundert Euro ab und drückte sie ihm in die Hand. »So, jetzt zufrieden? Den Rest gibt es nach dem Job.«
Raoul wippte ein bisschen auf seinen Fersen herum, steckte das Geld ein und sagte: »Okay.« Plötzlich streckte er seinen Arm aus und rief. »Da! Da!«
Ich erkannte nur, dass da irgendjemand im ersten Stock hinter einem Fenster war.
»Ist sie das etwa?«, heuchelte ich Interesse.
»Nein, bissedublinde? Dasseisse die Knipser! Er gehte nach unten ...«
»Oh!« Ich drückte Raoul den Ordner in die Hand und rannte los. »Warte im Auto auf mich. Ich muss mit ihm reden.«
»Ssagidoch die gansse Zeit.«
Ich lief durch den Haupteingang und sah mich um. Aus der Halle war ein Klavier zu hören und die Stimme der Nachtigall, die sich mit seltsamen Melodiefolgen und befremdenden
Weitere Kostenlose Bücher