Ausgeträllert (German Edition)
Ich hoffe, du bis’ dir dadrüber im Klaren.«
Elli guckte mich durchdringend an. »Ich sehe schon, du bis dir über gar nix im Klaren – und du kriegst es einfach nur nich’ mit.«
Natürlich merkte ich, dass Matti mich mochte – ich hätte ja tot und verwest sein müssen, um es nicht zu merken. Und ich mochte ihn sogar auch ... Aber das Problem, und seltsamerweise ging mir just in diesem Augenblick ein Licht auf, war nicht zwingend der Knipser, sondern viel eher mein Aschenputtelkonto.
»Hallo, Frau Abendroth ... ich geh jetzt und kümmer’ mich selber ... Du kriegst ja wirklich nix mehr mit.«
»Ich krieg alles mit, Elli«, versicherte ich. »Wirklich.«
»Ja, dann komm. Worauf wartest du noch?«
»Was? Wohin mitkommen?«
Elli ging in den Pudelsalon, kramte in den Schubladen herum und kam sofort wieder zurück. Sie hatte sich eine pinkfarbene Tasche mit einem goldenen Pudelmotiv darauf unter den Arm geklemmt. »Und was hast du vor?«
»Herrschaften! Hab ich dir doch grad erklärt: Ich geh jetzt zu Seidel und tausche das Überwachungsvideo aus. Keine Beweise, keine Klage, oder?«, erklärte sie.
»Wie denn austauschen? Willst du ihm einen Porno ins Regal stellen?«
»Nee. Ich hab da ein Lehrvideo. Pudeltrimmen. Ich finde, das passt.«
Zugegeben, ich hatte in den letzten paar Minuten offensichtlich ein paar entscheidende Informationen doch nicht mitbekommen.
»Bist du meschugge? Außerdem nützt es gar nichts – Rudi hat doch gestanden!«
»Die Argumentation überlass ich mal dem Herzig – der biegt das schon wieder hin. Ich kümmere mich um die Hardware, verstehst du? Immer schön eins nach dem anderen.«
»Und wenn sie dich erwischen? Glaubst du, Doktor Herzig könnte dich dann da rausquatschen? Der kann ja viel, aber ...«
Elli ging nach draußen, überquerte die Straße und ging schnellen Schrittes in Richtung Imbuschplatz. Sie nahm mächtig Fahrt auf – wie ein rollender Panzer in Pink strebte sie unaufhaltsam vorwärts. Ich ließ die Haustür zufallen und rannte hinter ihr her. Als sie den Westring überquerte, rief ich atemlos: »Und wie willst du ohne Anmeldung ins Präsidium reinkommen? Ich werde ja mittlerweile durchgewinkt. Aber du?«
»Deswegen nehme ich dich ja mit«, rief sie. Elli war schon auf der anderen Straßenseite. Die Fußgängerampel sprang auf Rot. Ich stand am Bordstein und wusste nicht, ob ich lachen sollte. »Elli, das ist eine ausgemacht dämliche Idee. So dämlich ...«, rief ich über die Straße.
Ein paar Autos sausten vorbei und hupten. Elli zeigte ihnen den Stinkefinger. »Dann schlag doch was anderes vor, Prinzesschen!« Die Fußgängerampel sprang auf Grün, aber ich ging nicht hinüber. »Das ist so dämlich ... ich fass es gar nicht.«
»Das sagtest du schon, Prinzesschen. Du hast nix erreicht. Also, mach’ ich es jetzt auf meine Art. Und das Einzige, worum ich dich bitte, ist mitzukommen. Ein bisschen Schmiere stehen. Das ist alles. Den Rest erledige ich.«
»Wir könnten doch zusammen zum Knipser gehen. Ich schätze, der wohnt neben der Kongresshalle im Hotel. Und dann rede du doch mal mit ihm ... oder biete ihm was an. Ich meine ...«
Elli holte mit der Pudeltasche aus. Ich zog den Kopf ein, obwohl die Chance sehr gering war, dass sie mich auf die Entfernung treffen konnte. Anstatt die Tasche zu werfen, knallte sie sie wütend aufs Pflaster und schrie: »Soll ich deinem Ex einen Blowjob anbieten? Ist es das, was du sagen wolltest? Weil es mir nix ausmacht? Weil ich es jahrelang gemacht habe? Kommt auf einen mehr oder weniger nicht an, denkst du? Ja, denkst du das?! Häh?! Du laberst so eine Scheiße daher, dass ich mich wundere, warum dich noch keiner entsorgt hat. Was glaubst du eigentlich, wer du bist?!«
Na gut, Elli Ruschkowsky. Was glaubst du eigentlich, wer du bist?
Ich drehte mich um und schaffte exakt zwei Schritte in die entgegengesetzte Richtung. In einem beleuchteten Werbekasten zog ein neues Plakat auf. Die Nachtigall grinste mich an und irgendwie hatte ich das Gefühl, dass der Knipser mich noch bis ans Ende aller Tage verfolgen würde. Es reichte nicht, dass er in Köln wohnte und ich in Bochum, fast hundert Kilometer weit weg. Unsere Wege kreuzten sich immer wieder. Immer würde es etwas geben, das mich an ihn erinnerte: eine Modestrecke in einem Magazin oder eben, wie jetzt, ein dämliches Porträt, das er geschossen hatte und das mich von einer Hauswand herunter anstarrte. Das Schlimme daran war: Es machte mir etwas aus. Und
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