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Ausgeträllert (German Edition)

Ausgeträllert (German Edition)

Titel: Ausgeträllert (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Minck
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das rote Meer vor Moses. Die Herren bekamen beim Anblick von Wilmas aufreizend spärlich bekleideter Rückfront einen glasigen Blick. Jorgo beugte sich zu mir herüber und flüsterte: »Ich zahle jeden Preis für ihre Telefonnummer.«
    »Hör auf zu sabbern«, sagte ich und verpasste ihm eine Kopfnuss.
    Raoul hatte es nicht gesehen, er stand neben Oma Bertis Tisch. Berti probierte sich durch einen Teller Buntes, und der Chefkoch nahm ihr Urteil mit gebeugtem Haupt entgegen. Sie klopfte ihm anerkennend auf die Schulter. Raoul lächelte, nahm ihre Hände und drückte ihr einen Kuss auf die Stirn. Dann kam er zurück zur Theke, gerade noch rechtzeitig, um Gustav die Flasche Bier, die er eben hinter einem großen Kochtopf verschwinden lassen wollte, aus der Hand zu nehmen.
    Eine halbe Stunde später wurde die Musik ausgeblendet und Dolores La Rose erhob sich. Alle Augen waren auf sie gerichtet.
    »Nu’ bin ich abba ma gespannt, wat gezz kommt«, sagte Berti, die sich neben mich gestellt hatte. Ich lehnte am Getränkekühlschrank und kostete die kurze Pause aus. »Was soll denn jetzt kommen?«, fragte ich.
    »Pass ma auf. Tränendrüse. Hatt’se schon im Konzert gemacht. Da hat’se ihrem toten Bruder dat Konzert gewidmet. Und die Presse war voll aussem Häuschen, kannze ja wohl denken.«
    »Ja, da hat sie sich den großen Knall schön fürs Finale aufbewahrt«, gab ich zurück. »Wundert mich nur, dass die Presse nicht schon viel eher drauf gekommen ist ...«
    »Die Journalisten sind heute auch nich’ mehr dat, wat’se ma waren. Wat nich in Internetz steht, is au’ nich passiert.«
    Dolores La Roses Augenlider flatterten, als könne sie ihre Tränen kaum noch zurückhalten. Mit erstickter Stimme sagte sie: »Ich danke Ihnen allen von ganzem Herzen, dass Sie heute meine Gäste sind. Schwere Zeiten hatte ich, und ich war so voller Hoffnung, dass sie endlich vorüber seien. Aber die Ereignisse der letzten Tage haben mir gezeigt, dass dem nicht so ist. Es wird mir meinen geliebten Bruder nicht zurückbringen, wenn ich jetzt vor dem Schicksal in die Knie gehe. Er hatte sich so gefreut für mich, für mein gelungenes Comeback. Mein Bruder und ich waren nicht immer einer Meinung, aber wir haben uns endlich, nach Jahren, wieder versöhnt. Wir wollten endlich wieder eine Familie sein.«
    Sie ließ ihren Blick über die Menge wandern und schob einen kleinen Seufzer ein. »Aber dieses Fest soll kein Trauerspiel sein. Feiern wir das Gute im Leben. Jetzt. Wer weiß, ob wir die Chance auf einen nächsten Tag bekommen. Günni Heibuch, mein einziger Bruder, ich werde dich nie vergessen.«
    Racic hob sein Sektglas, die Gäste an den Tischen taten es ihm nach. Bevor er seinen Toast aussprechen konnte, funkte Wolfi dazwischen: »Lang singe die Nachtigall!«
    »Ja«, stotterte Racic, »Lang singe die Nachtigall!«
    Die MS Nachtigall glitt tuckernd durch den strömenden Regen. Die Gäste machten sich übers Dessert her und spülten mit reichlich Alkohol nach. Man unterhielt sich angeregt, und die Diva machte einen entspannten Eindruck, als sie auf Raoul zuging und ihm zu dem gelungenen Buffet gratulierte. »Meine Schwägerin kann sich glücklich schätzen, einen solchen Koch gefunden zu haben. Bravo. Aber ...«, sie beugte sich über die kleine Theke und flüsterte: »Ich hoffe doch, dass Sie nicht vorhaben, Ihr Talent weiterhin in Wattenscheid bei einem drittklassigen Cateringunternehmen zu verschwenden. Mit Ihrem Können steht Ihnen doch die ganze Welt offen. Ich kenne da ein paar sehr einflussreiche Leute ... Wenn Sie interessiert sind, rufen Sie einfach Falko Racic an.«
    Bevor Raoul antworten konnte, war sie schon wieder in der Menge verschwunden.
    »Die ssinde alle verruckt.«, murmelte er.
    Nachdem das Geschirr abgeräumt war, legte der Kapitän Tanzmusik auf, und das Boot drehte bei, um den Rückweg zum Seglerheim anzutreten. Die Burg Blankenstein zog an uns vorbei und sah aus wie eine Kulisse aus einem Horrorfilm. Mittlerweile tobte ein heftiges Gewitter, was die Menge nicht davon abhielt, in letzter Minute noch das Tanzbein zu schwingen.
    Ich sah Carmen, Wilma, Elli und Mia, die einen wilden Fruchtbarkeitstanz aufs Parkett legten. Dabei wurden sie von Berti klatschend angefeuert. Der Kapitän drehte die Musik noch lauter, und die Leute wogten ausgelassen hin und her.
    Raoul zog eine kleine Armbanduhr aus der Hosentasche und krauste die Stirn.
    »Was ist?«, fragte ich ihn.
    »Wir musse längst ssuruck ssein. Und wo isse de

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