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Ausgeträumt

Ausgeträumt

Titel: Ausgeträumt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Bukowski
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alles sehr merkwürdig vor. Ich hatte nie damit gerechnet, in so ein Verwirrspiel zu geraten. Ich begriff kaum, wie es dazu gekommen war. Was konnte ich tun?
    Behalt ’n klaren Kopp, du Blödmann, kam die Antwort. Mhm. Die Drinks wurden serviert.
»Also, Ladies – auf euer Wohl.«
Wir stießen an und tranken.
Warum konnte ich nicht einfach irgendein Kerl sein, der ein
    Baseballspiel ansah und mitfieberte? Warum nicht ein Schnellkoch, der Rühreier machte und sich blasiert gab? Oder eine Fliege, die selig und selbstvergessen über einen Handrücken krabbelte? Warum nicht ein Hahn, der Körner pickte auf einem Hühnerhof? Warum das hier?
    Jeannie stieß mich mit dem Ellbogen an und flüsterte: »Belane, ich muß mit dir reden …«
Ich legte ein paar Scheine auf die Bar und sagte zu Lady
    Death: »Ich hoffe, du bist nicht sauer, aber …«
»Dicker, ich weiß, daß du mit der Dame was Privates zu reden
hast. Warum sollte ich sauer sein? Ich bin doch nicht in dich
verknallt …«
»Aber ich hab den Eindruck, du hängst dauernd bei mir rum.« »Ich häng bei allen rum, Nick. Nur daß es dir stärker auffällt
als den anderen.«
»Ja. Mhm.«
»Jedenfalls, mit Celine hast du mir geholfen …«
»Celine, ja.«
»Also laß ich dich jetzt eine Weile mit deiner Freundin allein.
Aber nur eine Weile. Wir zwei haben noch was offen. Wir sehn
uns also noch.«
»Lady, daran zweifle ich keinen Augenblick.«
Sie trank aus, rutschte vom Barhocker und ging zur Tür. Ihre
Schönheit war erschütternd. Dann war sie fort. Der Barkeeper
kam, um sein Geld zu holen.
»Wer war das?« fragte er. »Mir ist ganz schwindelig
geworden, als sie an mir vorbeigekommen ist.«
»Sei froh, daß dir nur schwummrig geworden ist«, sagte ich. »Wieso?«
»Wenn ichs dir sage, glaubst du’s ja doch nicht.«
»Versuchs doch mal«, meinte er.
»Hab ich nicht nötig. Jetzt laß mich mal ein bißchen in Ruh,
ich will mich mit dieser Dame unterhalten.«
»Schon gut. Aber sag mir mal eins …«
»Was?«
»Wie kommts, daß ein fetter häßlicher Kerl wie du die ganze
Action kriegt?«
»Das liegt an der Buttermilch, die ich mir auf die Waffeln tu.
Jetzt sieh zu, daß du hier verschwindest.«
»Mach mich nicht an, du«, sagte er.
»Du hast mich angequatscht.«
»Deshalb mußt du noch lang nicht eklig werden!«
»Wenn du denkst, das war eklig, dann warte mal, was passiert,
wenn du mir noch länger auf den Zehen stehst.«
»Fick dich ins Knie«, sagte er.
»Das war genial«, sagte ich. »Jetzt zieh Leine, solang du noch
kannst.«
Er ging langsam ans Ende der Bar, blieb nachdenklich stehen
und kratzte sich am Arsch. Ich wandte mich an Jeannie. »Entschuldige, Baby, aber diese negativen Wortwechsel
passieren mir anscheinend mit so gut wie jedem Barkeeper, an
den ich gerate.«
»Schon gut, Belane.« Sie machte ein trauriges Gesicht. »Belane, ich muß wieder weg.«
»Ach, macht doch nichts. Aber trink erst noch einen für
unterwegs.«
»Nein, ich wollte sagen, daß ich mit meinen Leuten weg muß
… von der Erde. Ich weiß nicht warum, aber irgendwie bist du
mir ans Herz gewachsen.«
»Das ist ganz verständlich«, sagte ich lachend. »Aber warum
verschwindet deine Bande wieder von der Erde?«
»Wir haben es uns überlegt. Es ist einfach zu gräßlich. Wir
wollen eure Erde nicht kolonisieren.«
»Was ist zu gräßlich?«
»Die Erde. Smog, Mord, verpestete Luft, verseuchtes Wasser,
vergiftetes Essen. Der Haß, die Hoffnungslosigkeit, alles. Das
einzig Schöne an der Erde sind die Tiere, und die werden jetzt
auch ausgerottet. Bald wird es nur noch Rennpferde geben und
ein paar zahme Ratten als Schoßtiere. Es ist so traurig. Kein
Wunder, daß ihr alle soviel trinkt.«
»Ja, und vergiß nicht die atomaren Arsenale.«
»Ja, ihr habt euch wirklich tief reingeritten, wie’s scheint.« »Kann sein, daß wir in zwei Tagen futsch sind oder daß wir
uns noch tausend Jahre halten. Aber weil wir nicht wissen, was
wird, fällt es den meisten schwer, sich um irgendwas Gedanken
zu machen.«
»Du wirst mir fehlen, Belane. Und die Tiere auch …« Ich sah, daß ihr die Tränen kamen.
»Herrgott, Jeannie, jetzt heul doch nicht …«
Sie griff nach ihrem Glas, trank es aus und sah mich an mit
Augen, wie ich sie noch nie gesehen hatte und auch nie mehr
sehen würde.
»Wiedersehn, Dicker«, sagte sie mit einem Lächeln. Und verschwand.

40
    Nun gut. Nächster Tag. Wieder im Büro. Ein Auftrag war noch zu erledigen: Den Red Sparrow finden. Niemand hämmerte an meine Tür und hatte neue

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