Ausgeträumt
blieb stehen und stopfte ihm einen Dollarschein in die Hemdtasche.
Dann war ich auf dem Parkplatz. Ich ging zum Auto, und als ich einstieg, sah ich den abgedeckten Käfig. Ich vergewisserte mich, daß alle Fenster zu waren. Dann holte ich tief Luft und zog das Tuch herunter. Ein Vogel saß drin. Ein roter. Ich sah ihn mir näher an. Es war kein Spatz. Es war ein rot gefärbter Kanarienvogel. Hmm. Au. Oh. Sie hätten einen Spatz rot färben können. Aber nein, sie mußten einen gottverdammten Kanarienvogel nehmen. Und ich konnte ihn nicht fliegen lassen. Er wäre da draußen verhungert. Ich mußte ihn behalten. Ich war geleimt. Und geneppt.
Ich warf den Motor an und fuhr los, schaffte sämtliche Ampeln und erreichte schließlich den Freeway. Ich hörte ein schwaches Geräusch. Die Käfigtür war aufgegangen, und der Vogel war entwichen. Er flatterte aufgeregt durchs Wageninnere. Der rote Kanarienvogel. Ein Typ in der Spur neben mir sah es und lachte mich aus. Ich zeigte ihm den Finger. Seine Miene verdüsterte sich. Ich sah, wie er nach etwas griff. Er kurbelte sein Fenster runter und richtete die Waffe auf mich. Aber er war ein schlechter Schütze. Er verfehlte mich. Doch den Wind von der Kugel spürte ich, dicht vor der Nase. Der Vogel flatterte hektisch herum, und ich gab Vollgas. In jedem Fenster war ein Loch. Ein Einschuß- und ein Ausschußloch. Ich schaute nicht zurück. Ich hatte das Gaspedal bis zum Boden durchgetreten und ließ es da, bis ich zu meiner Ausfahrt kam. Dann schaute ich nach hinten. Der Kerl war nicht mehr da. Plötzlich spürte ich was. Der Vogel hatte sich auf meinen Kopf gesetzt. Und dann ließ er was fallen. Ich spürte es naß und warm auf der Kopfhaut. Kein besonders guter Tag. Nein, das war kein guter Tag für mich gewesen.
49
Ich glaube, es war Mittwoch, als ich wieder im Büro war. Neue Aufträge gab es nicht. Ich war immer noch hinter der Geschichte mit dem Red Sparrow her, brütete darüber und überlegte mir den nächsten Schritt. Der einzige Schritt, der mir einfiel, war: Verschwinde aus der Stadt, eh die fünfundzwanzig Tage um sind.
Nein, niemals. Die würden meinen Arsch nicht aus Hollywood verjagen. Ich war Hollywood. Oder was davon noch geblieben war. Jemand klopfte sehr höflich an die Tür.
»Yeah«, sagte ich, »nichts wie rein.«
Die Tür ging auf, und ich sah einen schmächtigen Kerl, ganz in schwarz. Schwarze Schuhe, schwarzer Anzug, schwarzes Hemd. Nur seine Krawatte war grün. Limonengrün. Hinter ihm dräute sein Gorilla. Nur daß Gorillas mehr Hirn haben.
»Ich bin Johnny Temple«, sagte er, »und das ist mein Assistent Luke.«
»Luke, eh? Und was macht der?«
»Alles, was ich ihm sage.«
»Warum sagen Sie ihm nicht, er soll verschwinden?« »Was ist, Belane, mögen Sie Luke nicht?«
»Muß ich denn?«
Luke machte einen Schritt nach vorn. Sein Gesicht bekam
einen verquälten Ausdruck, als würde er gleich losflennen. »Du kannst mich nicht leiden, Belane?«
»Luke, du hältst dich da raus«, sagte Temple.
»Ja, halt dich da raus«, sagte ich.
»Kannst du mich leiden, Johnny?« fragte Luke.
»Na klar, na klar! So, jetzt stell dich da an die Tür und laß
keinen rein oder raus.«
»Dich auch nicht?«
»Wie meinst du das, Luke?«
»Dich auch nicht rein- oder rauslassen?«
»Nein, mich läßt du rein und raus. Aber sonst keinen. Außer,
ich sag es dir.«
»Okeh.«
Luke stellte sich an die Tür. Temple zog sich einen Stuhl heran
und setzte sich.
»Ich komme von Acme Executioners und soll Sie instruieren.
Harold Sanderson, unser Vertreter …«
»Vertreter? Den Kerl nennt ihr einen Vertreter?«
»Er ist einer unserer besten.«
»Muß er wohl sein«, gab ich zu. »Sehn Sie sich das mal an!« Ich zeigte auf den Käfig, der in der Ecke hing. Mit dem
Kanarienvogel drin.
»Den hat er mir angedreht«, sagte ich.
»Harry könnte einem Toten noch ne neue Haut verkaufen«,
sagte Temple.
»Hat er wahrscheinlich auch schon«, sagte ich.
»Das tut jetzt nichts zur Sache. Ich habe Sie kurz ins Bild zu
setzen.«
»Na los, aber machen Sie’s kurz.«
»Sie sind nicht witzig, Belane. Wir haben Ihnen vier Riesen
geliehen, mit fünfzehn Prozent Zinsen im Monat. Das sind
sechshundert Dollar. Wir wollen sichergehen, daß Sie alles
richtig verstehen, ehe wir kassieren kommen.«
»Und wenn ich die Knete nicht hab?«
»Wir kommen immer zu unserem Geld, Mr. Belane. So oder
so.«
»Brecht ihr den Leuten die Beine, Temple?«
»Unsere Methoden sind flexibel.«
»Angenommen, sie ziehn
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