Ausgeweidet (German Edition)
gelassen, drückt er die Tür behutsam zu. Wie oft hat sie sich diese Geste verbeten, bis sie begriffen hat, dass Clemens einfach nur ein höflicher Mensch ist und kein Angeber-Macho mit Porsche. Mittlerweile gefällt es ihr sogar, und wenn Clemens mal nicht daran denkt, zeigt sie wortlos auf die Tür.
Clemens startet den Motor und fährt vom Parkplatz des Polizeipräsidiums herunter Richtung St.-Vinzenz-Krankenhaus . Sie wollen den Freund von Senta Hartmann, Dr. Justus Lamberty, befragen. Maria amüsiert sich immer wieder gerne über den rasanten Fahrstil ihres Kollegen, den er mit einer leichten Desorientierung verbindet. Selbst seine Mutter, die mit ihren über achtzig Jahren immer noch gut und sicher Auto fährt, wundert sich über die Streckenwahl ihres Sohnes. Doch er hat es sich längst abgewöhnt, den beiden Frauen zu widersprechen, sie kennen einfach immer den kürzeren Weg. Auch dieses Mal kann Maria es nicht lassen. »Geht ja eigentlich ziemlich direkt, Rheinufertunnel, Klever Straße, noch drei Ampeln, dann sind wir schon da.«
»Die Hoffnung stirbt zuletzt.« Clemens nimmt es locker. Er mag es, wenn Maria ihn mit Kleinigkeiten neckt. Auch wenn es an seinem Ego nagt, dass er sich so schlecht orientieren kann.
Auf der Station werden sie von Oberschwester Christa freundlich begrüßt. Sie bittet den angekündigten Besuch um etwas Geduld, denn Dr. Lamberty ist noch im OP, etwa zwanzig Minuten. Bis zur Visite sei etwas Zeit, aber nicht viel, um mit ihm zu sprechen. Den Hinweis, derweil in der Cafeteria einen Kaffee zu trinken, nehmen Clemens und Maria gern entgegen. Auch wenn Kaffee in Kantinen kein kulinarischer Genuss ist, hilft er doch gegen die aufkommende Müdigkeit.
»Was wissen wir über Lamberty?«
Maria nimmt erst einen Schluck Kaffee, bevor sie antwortet. »Noch nicht viel. Die Recherche von Hendrik hat ergeben, dass er leitender Oberarzt ist und in Fachkreisen ein hohes Renommee als Chirurg besitzt. Er ist unverheiratet, hat keine Kinder und scheint in seiner Arbeit aufzugehen. Lässt kaum einen Kongress aus. Man munkelt, er habe gute Chancen, bald Chefarzt zu werden. Der jetzige steht kurz vor seiner Pensionierung.«
Schweigend beenden die beiden ihre Kaffeepause und gehen zurück zum Aufzug, der sie aus den Niederungen der Klinik – die Cafeteria ist im Keller untergebracht – wieder auf die Station bringt. Dr. Lamberty erwartet sie bereits. Der fast zwei Meter große und schlanke Mittvierziger ist strohblond, seine Haare stehen pfiffig vom Kopf ab, und er trägt eine goldfarbene Nickelbrille. Die stahlblauen Augen blicken freundlich, als er sie in sein kleines Dienstzimmer bittet.
»Leider habe ich nicht viel Zeit, aber ich bin gerne bereit, nach Dienstschluss länger mit Ihnen zu sprechen.«
»Fürs Erste nur ein paar Fragen«, beginnt Clemens. »Wie stehen Sie zu Senta Hartmann?«
»Sie sind ja ganz schön direkt. Worum geht es denn eigentlich?«
»Der Ex-Mann von Frau Hartmann ist ermordet worden«, erklärt Maria den Grund ihres Besuches.
»Ja, ich weiß. Frau Hartmann hat mich direkt angerufen, nachdem sie es erfahren hat.«
»Was hat sie Ihnen mitgeteilt?« Wieder befragen sie abwechselnd.
»Dass Jacques Briest im Grafenberger Wald erschossen worden ist und sie ihn in der Gerichtsmedizin identifizieren musste.«
»Wie wirkte sie bei dem Telefonat?«
»Ziemlich aufgewühlt. Aber das ist ja auch verständlich, nach so einer Nachricht.«
»Wie lange sind Sie schon mit Frau Hartmann zusammen?«, möchte Maria wissen.
»Ich bin Frau Hartmann erst vor einigen Monaten begegnet.«
»Wo war das?«
»Im Düsseldorfer Yachtclub beim Sommerfest. Sie war mit einer Freundin dort, und wir kamen recht schnell ins Gespräch.«
»Sind Sie beide Segler?« Clemens ist wieder an der Reihe.
»Nein, nein«, Lamberty zeigt sich amüsiert. »Ich segle seit meiner frühesten Jugend. Aber Frau Hartmann muss ich erst noch für diesen Sport begeistern.«
»Besitzen Sie ein eigenes Segelschiff?«, will Clemens wissen.
»Nein, so viel Zeit habe ich auch wieder nicht. Für die Ferien chartere ich meistens mit Freunden ein Boot.«
»Wie würden Sie die Persönlichkeit von Frau Hartmann beschreiben?«, meldet sich wieder Maria zu Wort.
»Wir sind ja gerade erst dabei, uns näher kennenzulernen.«
»Eine erste Einschätzung reicht uns vollkommen aus.« Clemens’ Tonfall ist sachlich.
Lamberty überlegt. »Sie ist sehr emotional, hoch sensibel. Eine liebevolle Frau, die bereit ist, viel zu
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