Ausgeweidet (German Edition)
genauer zu befragen.«
Clemens setzt nachdenklich hinzu: »Für Lambertys Ausflug zum Parkplatz kann es eine ganz einfache Erklärung geben.«
Doch wie sich kurz darauf zeigt, haben weder die Ärzte noch das Personal, die am Freitag Dienst hatten, Dr. Lamberty nach sechzehn Uhr gesehen. Nur der Assistenzarzt Dr. Dieter Steinkühler gibt an, so um siebzehn Uhr das Büro von Lamberty betreten zu haben, doch er habe ihn nicht angetroffen und sich weiter nichts dabei gedacht. Lamberty habe ja Dienstschluss gehabt und keine Bereitschaft. Auf Marias Nachfrage, ob sie wirklich mit allen Personen der Frühschicht gesprochen hätten, räumt Oberschwester Christa ein, dass ein Pfleger heute frei hat. Schnell sucht sie die Telefonnummer des Pflegers heraus.
Auch die zweite Befragung des Arztes bringt sie nicht weiter. Wie bereits beim ersten Gespräch lässt sich Lamberty nicht verunsichern, bleibt souverän und freundlich, zeigt Verständnis für die Fragen und scheint alles zu unternehmen, um den beiden behilflich zu sein. Er bestätigt, kurz an seinem Wagen gewesen zu sein, um Unterlagen für den Aufsatz zu holen. Und er nähme oft den kürzeren Weg durch die Notaufnahme. Zwischendurch habe er eine Pause gemacht und in der Cafeteria etwas gegessen. Doch dort kann man sich an Lambertys Erscheinen am Freitagnachmittag nicht erinnern.
10.
Sonntag früher Nachmittag Derendorf. Als das Ermittler-Duo das St.-Vinzenz-Krankenhaus durch den Haupteingang verlässt, blicken sie in einen strahlend blauen Himmel. Trotz der Jahreszeit wärmt die Sonne noch, sodass die Temperaturen angenehm sind. Clemens holt die Sonnenbrille aus der Brusttasche seines Hemdes.
»Was meinst du, wollen wir uns bei dem schönen Wetter einen Latte macchiato auf der Terrasse des Düsseldorfer Yachtclubs genehmigen?«, fragt er seine Kollegin in sichtlich guter Laune.
»Keine schlechte Idee. So haben wir wenigstens noch etwas von dem schönen Tag.« Schon winzige Sonnenstrahlen wirken bei Clemens wie eine Vitaminspritze, und man kann zusehen, wie er innerhalb kürzester Zeit an Farbe zulegt. Woher er die südländischen Gene hat, ist ihm selbst schleierhaft.
Plötzlich bellt ein Hund. Maria verdreht die Augen, und Clemens fingert schnell sein Handy aus der Tasche. Interessiert schaut er auf das Display. Mit wenigen Handgriffen hat er die von Hendrik weitergeleitete E-Mail Senta Hartmanns aufgerufen und reicht Maria wortlos das Handy.
Sehr geehrte Frau Hartmann,
zunächst möchte ich Ihnen mein tiefstes Mitgefühl aussprechen. Glauben Sie mir, ich kann gut nachempfinden, was Sie durchgemacht haben. Es ist wirklich unglaublich, dass so ein Schwein nicht zur Verantwortung gezogen wird. Wissen Sie, meine einzige Tochter ist ebenfalls missbraucht worden. Sie ist nie darüber hinweggekommen und hat sich vor einigen Monaten das Leben genommen. Den Täter hat man nie finden können. Menschen, die so etwas machen, haben ihr Leben verwirkt.
Ich wünsche Ihnen viel Kraft
ein zutiefst Betroffener
Auf dem Parkplatz des DYC finden sie noch eine freie Lücke. Nachdem Clemens die Beifahrertür geöffnet hat, versucht Maria, so elegant wie möglich aus dem tiefen Sitz herauszukommen. Beide genießen die Aussicht über den Rhein, bevor sie den Weg einschlagen, der direkt zur Terrasse des Clubrestaurants führt. Einige Tische sind noch besetzt, aber die meisten Clubmitglieder sind längst mit dem Mittagessen fertig und haben sich entweder auf ihre Schiffe oder nach Hause zurückgezogen. So haben die Hauptkommissare die freie Wahl und entscheiden sich für einen Tisch direkt an der Brüstung.
»Wenn ich den Rhein sehe, geht mir immer das Herz auf«, seufzt Clemens und lässt seinen Blick über den Yachthafen gleiten.
»Schon ganz imposant, was hier an Schiffen liegt.«
»Viele haben ihre größeren Segelschiffe oder Motoryachten am Ijsselmeer oder in Palma de Mallorca liegen. Das könnte ich mir auch gut vorstellen, mal eben spontan am Wochenende nach Palma zu fliegen, und dann raus aufs Meer.«
»Spiel halt Lotto, vielleicht hast du Glück.« Das Glucksen in Marias Stimme ist nicht zu überhören.
»Ja, ich weiß, man sollte dem Glück auch eine Chance geben. Habe ich auch zweimal, war aber nix.«
Maria lacht. »So wird das nie was.«
Eine junge Bedienung begrüßt sie und nimmt die Bestellung auf: zwei Latte macchiato.
Kaum ist sie wieder im Restaurant verschwunden, fragt Clemens: »Wo warst du das letzte Mal auf Mallorca?«
»In Cala Figuera. Ein
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