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Ausgeweidet (German Edition)

Ausgeweidet (German Edition)

Titel: Ausgeweidet (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Brigitte Lamberts , Annette Reiter
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gefunden, mit den beginnenden psychischen Problemen seiner Tochter habe er nicht umgehen können, immer wieder sei es zu gravierenden Spannungen in seiner Ehe gekommen, die er leider durch Alkohol erträglicher gestalten wollte; dann Scheidung und wenig später der Verkauf der Agentur. Seine Tochter habe sich auch von ihrer Mutter immer mehr zurückgezogen und vor drei Monaten Selbstmord begangen. Er habe zu spät erkannt, dass er selbst Hilfe benötige, und jetzt sei ja sowieso alles egal.
    »Das hat Schneider wortwörtlich gesagt.« Seine Wohnungseinrichtung zeige, dass es ihm finanziell mal ziemlich gut gegangen sein müsse. Jetzt sei jedoch alles verwahrlost. Für die Tatzeit habe er kein Alibi. Er sei nach der Verhandlung direkt nach Hause gegangen, habe die E-Mail an Frau Hartmann geschrieben und sich dann sinnlos betrunken. Er wollte aufholen, was er die letzten Tage eingespart hatte, um der Verhandlung einigermaßen nüchtern folgen zu können.
    »Auch das ist ein O-Ton des Befragten«, versichert Christian. Irgendwann sei Schneider nach eigener Aussage dann auf seinem Sofa eingeschlafen – wann, wisse er nicht mehr – und mit höllischen Kopfschmerzen am späten Abend des darauf folgenden Tages aufgewacht. Dass es Samstag gewesen war, sei sicher, da er gerade noch bei Rewe am Carlsplatz eingelassen wurde. »Sein Allgemeinzustand ist schlecht«, konstatiert Christian, »er ist ziemlich geschwächt und mager. Dass er die psychische und körperliche Voraussetzung mitbringt, so eine Tat zu planen und auszuführen, halte ich für zweifelhaft.«
    »Was hat die Befragung von Horst Büttner gebracht?«, will Maria wissen.
    »Nichts, absolut nichts.« Auf der Heide ist die Verärgerung über das Verhalten des Strafverteidigers von Jacques Briest immer noch anzumerken.
    »Der hat nicht allzu viel Zeit verschwendet. Als Pflichtverteidiger könne er sich vor Mandanten kaum retten und habe sich ganz auf seine Verteidigungsstrategie konzentriert. Über die Persönlichkeit von Briest und dessen soziales Umfeld könne er nichts sagen.«
    »Konnte er nicht oder wollte er nicht?«, fragt Clemens gereizt nach.
    »So wie ich den Typ einschätze, weiß er nicht viel über Briest, weil ihn das auch nicht interessiert. Was zählt, ist das Ergebnis vor Gericht. Und da war er ja erfolgreich.«
    Christian zuckt entschuldigend mit den Schultern, doch dann hellt sich sein Gesicht auf.
    »Da ist ein anderer Ansatz vielleicht vielversprechender.« Er berichtet von der Befragung der ARGE. Es ist eine Meisterleistung, dort jemanden anzutreffen, der Auskunft über Jacques Briest geben kann, da die sogenannten Betreuer dauernd wechseln. Ein Abteilungsleiter hat dann die Daten von Briest gesichtet. Er war seit über vier Jahren arbeitslos gemeldet, galt als schwer vermittelbar und verdiente sich innerhalb des gesetzlichen Rahmens etwas dazu.
    »Und jetzt kommt es: Als musikalischer Leiter eines Kinderchores und in den Schulferien war er Betreuer von organisierten Ferienfreizeiten für bedürftige Kinder.«
    Clemens fährt sofort aus der Haut: »Das gibt es doch nicht! Das darf doch nicht wahr sein! Christian, suche doch bitte morgen sofort die Leiter dieser Institutionen auf.«
    Es ist bekannt, dass Kinderschänder sich oftmals ehrenamtlich engagieren, um Kindern nahe zu sein. Dass aber trotz des öffentlichen Verfahrens und angesichts dieser Medienpräsenz Briest allem Anschein nach immer noch Zugang zu einem Kinderchor hatte, ist einfach unglaublich.
    Am Ende der Besprechung bittet Hendrik nochmals um Gehör. Er hat vor dem Teamtreffen mit Schoeller gesprochen. Von den drei Gewehren der alten Dame ist nur das Kleinkalibergewehr in den letzten Tagen benutzt worden. Infrage käme die letzte Woche. Die kleine ballistische Untersuchung hat ergeben, dass sowohl das Kaliber als auch die Rotation der Kugel mit der Größe der Wunde und dem Einschusskanal übereinstimmen könnten. Der Ballistiker schätzt die Übereinstimmung auf sechzig Prozent, nach weiteren Untersuchungen könnte er eventuell auf siebzig Prozent kommen.
    Clemens fängt den Blick der Oberstaatsanwältin auf.
    »Ob sechzig oder siebzig Prozent, das reicht als Beweis vor Gericht nicht aus. Da können wir uns die große ballistische Untersuchung sparen«, stellt Pia Cremer pragmatisch fest.
    »Aber sechzig Prozent ist doch eigentlich schon eine ganze Menge«, wirft Sonja Melchior ein.
    »Für uns als Hinweis, um am Ball zu bleiben, schon, aber es taugt nicht vor Gericht, leider.«

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