Ausgeweidet (German Edition)
mit langen weißen Schürzen geschickt und schnell die unterschiedlichsten Drinks in prächtigen Farben.
Clemens und Maria lassen sich kurz beraten und entscheiden sich dann für einen ›Power Mojito‹ mit Sol Maté, ein Limettensaft mit Rohrzucker und einem Hauch Zitrone, Pfefferminzblättern und frischen Limetten. Alkoholfrei, gesund, reich an Vitaminen und belebend, wie André, einer der Barkeeper, ihnen versichert.
»Belebend, genau das Richtige für uns«, bemerkt Clemens schmunzelnd und wendet sich mit seinem bis an den Rand des Glases gefüllten Drink einer hochgewachsenen, schlanken Dame zu. Sie stellt sich als Liz vor, ein herber Typ, sehr markantes Gesicht und eine beeindruckende, voluminöse Perücke. Sie sieht unglaublich aus, und mit ihrer tiefen, rauchigen Stimme, die auf einen enormen Zigarettenkonsum, gepaart mit regelmäßigem Whiskygenuss, schließen lässt, beantwortet sie Clemens’ erste Frage.
Ja, das hier sei ihr zweites Zuhause, sie sei jeden Abend hier, wenn es ihr Beruf erlaube. Sie lacht schallend und sagt dann zu Clemens:
»Ich wette Brief und Siegel darauf, dass Sie mir zu gerne die Frage stellen würden, was ich denn beruflich mache.«
Clemens, angesteckt durch das natürliche Lachen, antwortet charmant: »Da haben Sie recht.«
»Dann will ich Sie mal nicht auf die Folter spannen.«
Sie legt eine gekonnte Pause ein und flüstert dann dem Kommissar lasziv ins Ohr: »Mir gehört das nobelste Düsseldorfer Sado-Maso-Etablissement.«
Clemens grinst. »Um Sie wiederzusehen, müsste ich dann wohl zu Ihnen kommen.«
Sie lächelt huldvoll, doch dann wird sie ernst.
»Nun fragen Sie, was Sie fragen müssen.« Viel kann oder will Liz nicht sagen. Nur so viel, dass sie hier alle Senta schätzen und über die Geschehnisse Bescheid wissen. Sie sei nicht die Einzige, die Lust gehabt hätte, das Schwein mal so richtig in die Mangel zu nehmen.
Maria steuert auf Dieter zu, der hinter der Theke Gläser spült. Es dauert nicht lange, da weiß sie, dass er eigentlich Fotograf ist, hier aber als Beleuchter und als »Mädchen für alles« arbeitet. Auf die Frage, wie es dazu gekommen sei, antwortet er knapp: »Wirtschaftliche Schwierigkeiten.« Das kann Maria gut nachvollziehen, so aufgedreht der ist und andauernd die Nase hochzieht, braucht er sicher eine Menge Geld für Koks. Ob viele der Gäste regelmäßig kämen, will die Hauptkommissarin wissen. Das sei ganz unterschiedlich, manche dreimal im Jahr, andere noch seltener, und wieder andere tauchten immer dann auf, wenn ein neues Stück ins Programm aufgenommen werde. Auf die Frage, ob es auch Gäste gebe, die öfter den Petit Salon besuchen, überlegt er eine Weile, dann leuchten seine Augen auf. Einen gäbe es, der würde Senta richtig verehren, der käme zu jedem Liederabend von ihr. Was das für ein Typ sei, hakt Maria nach.
»Unscheinbar, älter, an die sechzig Jahre, verschwindet nach dem Liederabend immer gleich.« Ihm sei er nur aufgefallen, weil er Fotos mache, was eigentlich verboten sei und ihn als Beleuchter auch stören würde.
Pascal Schmitz stellt Clemens eine gute Freundin vor. Roswitha Leitner, Altistin, die sich aber als Sopranistin fühlt und deshalb immer zu hoch singt. Ihre Liederabende, bei denen sie vorzugsweise Brecht-Lieder interpretiert, stehen selten auf dem Programm, doch wenn, dann wird es immer ein vergnüglicher Abend. Denn ihr Auftritt lebt von der unbeabsichtigten Situationskomik und nicht von der Qualität ihrer Stimme. Alle wissen das, nur Roswitha nicht. Sie begrüßt den Hauptkommissar gönnerhaft, aber nicht unfreundlich. So stellt er sich eine erfolgreiche Operndiva vor, ein Fels in der Brandung, denn mit ihrer Körperfülle steht sie der großen Opernsängerin Jessye Norman in nichts nach.
»Kennen Sie Senta Hartmann gut?«, beginnt er das Gespräch.
»Ja. Sie ist eine bezaubernde Frau. Nur singen kann sie leider nicht.«
Clemens ist etwas irritiert, lässt es sich aber nicht anmerken.
»Sind Sie miteinander befreundet?«
»Nein, so weit würde ich nicht gehen. Ich habe sie auch schon länger nicht mehr gesehen, da ich in den letzten Jahren andere Verpflichtungen wahrnehmen musste und nur selten im Salon war.«
Die Befragung dümpelt vor sich hin. Dann verabschiedet sich Clemens von Roswitha Leitner und schlendert mit Pascal zum Buffet.
»Die strotzt ja vor Selbstbewusstsein.«
»Ach, sie ist eine ganz Liebe. Ich mag sie sehr. Aber leider manisch-depressiv, und ihre anderen Verpflichtungen hat
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