Ausgeweidet (German Edition)
Teil des Suchtrupps hat sich auf dem Parkplatz versammelt. Obwohl alle erschöpft sind, können sie schon wieder scherzen. Das sind die Momente, in denen sie ihre Arbeit lieben. Nun ist erneut die Spurensicherung gefragt. Schoeller und sein Team stehen mit dem ganzen Equipment bereit und warten darauf, dass die letzten Kollegen den Bereich verlassen. Unruhig tritt der Leiter der Kriminaltechnik von einem Fuß auf den anderen und ruft immer wieder verärgert den Polizisten der Hundertschaft zu, sie sollen sich vom Acker machen und nicht alles zertrampeln.
In der Zwischenzeit haben sich Steinbeißer und Clemens im Polizeipräsidium erneut Michael Schneider vorgenommen. Doch der verweigert die Aussage. Kein Ton ist aus ihm herauszubekommen. Auch auf die Empfehlung, einen Anwalt hinzuzuziehen, reagiert er nicht. Clemens wartet darauf, dass ihm erste Entzugserscheinungen zusetzen, aber auch hier nichts. Er sieht lediglich schlecht aus, die Augen liegen tief in den Höhlen, sein Hemd ist schweißnass. Er ist weder gereizt noch aggressiv, keinerlei Anzeichen einer inneren Unruhe oder Angst. Eher scheint er das Gegenteil zu sein, lethargisch, aber konzentriert.
»Bei dem Alkoholkonsum der letzten Monate müsste er doch langsam alle Anzeichen des Entzugs zeigen.«
»Oder der ist ganz abgezockt und hat euch nur ein großes Theater vorgespielt«, vermutet Steinbeißer.
»Dann hätten wir uns gründlich verschätzt. Ich kann das nicht glauben.«
Steinbeißers Handy klingelt. Der Einsatzleiter des Suchtrupps setzt ihn kurz in Kenntnis.
»Wir haben eine männliche Person im Wald in einer vergrabenen Holzkiste gefunden. Die Identität konnte noch nicht festgestellt werden. Er befindet sich jetzt in der Notaufnahme der Diakonie.«
Steinbeißer schaut Clemens an.
»Sie haben ihn. Er lebt. Die Identifizierung steht allerdings noch aus.«
»Nimmst du dir Schneider nachher nochmals vor?«, fragt Clemens.
»Ja, aber erst einmal lasse ich ihn im Besprechungsraum etwas zappeln, er scheint sehr erschöpft, und vielleicht macht ihn das mürbe.«
Clemens nickt Steinbeißer zu, klopft ihm freundschaftlich auf die Schulter und geht zu Marias Büro. Sie steht in Gedanken versunken am Fenster. Als sie ihn bemerkt, fragt sie: »Und jetzt?«
»Lass uns erst einmal in der Kantine etwas essen, vielleicht haben uns die Kollegen noch was übrig gelassen. Im Augenblick kann ich keinen klaren Gedanken fassen.«
Mittlerweile ist es schon nach vierzehn Uhr, aber ein Kotelett mit Kartoffelsalat gibt es noch, das gehört zu den Highlights der Gastronomie am Jürgensplatz. Nur noch wenige Kollegen sitzen vereinzelt an den Tischen. Clemens steuert mit seinem Tablett auf einen der Plätze am Fenster zu. Ohne Eile schneidet er sich ein Stück nach dem anderen von seinem Kotelett ab, streicht jeweils eine Messerspitze Düsseldorfer ABB Mostert darauf und schiebt dann ein wenig Kartoffelsalat auf die Gabel. Fasziniert beobachtet Maria das immer gleiche Prozedere.
Kaum hat Clemens Messer und Gabel auf dem Teller abgelegt, kommt Steinbeißer an ihren Tisch.
»Nur zwei belegte Brötchen?«, fragt Clemens schmunzelnd.
»Ihr habt mir ja die beiden letzten Koteletts ohne zu fragen vor der Nase weggeschnappt«, kontert Steinbeißer, der sichtlich entspannter ist als noch am Morgen. Es liegt zwar noch viel Arbeit vor ihm, aber Richard Hausmann ist gefunden und gerettet.
»Hausmann ist zwar noch ziemlich geschwächt, aber ich werde ihn gleich in der Klinik aufsuchen. Hoffentlich hat er seinen Entführer erkannt oder kann ihn zumindest beschreiben.«
»Was sagt die Spurensicherung?«
»Noch nicht viel. Sie geht von nur einem Täter aus. Am Spätnachmittag werden wir mehr wissen, dann haben wir nicht nur den Abgleich der Fingerabdrücke, sondern auch die Auswertung der DNA von Schneider und die Analyse der Faserspuren. Es scheint so, dass Staatsanwalt Fischer sich mal nicht querstellt und rumzickt, sondern uns unterstützt, wo er nur kann.«
»Bringst du Schneider persönlich zum Ermittlungsrichter?«
»Ja, zusammen mit dem Staatsanwalt, nachdem ich in der Klinik war. Fischer hat schon den Erlass des Haftbefehls beantragt. Wir werden sehen, wie schnell der richterliche Haftbefehl vorliegt. Ich gehe davon aus, dass wir Schneider dann wieder hierher mitnehmen können. Fischer ist mit mir einer Meinung, dass Fluchtgefahr besteht. Und eine Überstellung in die JVA wird hoffentlich auch nicht so schnell stattfinden, sodass wir ihn hier wieder vernehmen
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