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Ausgewichtelt

Titel: Ausgewichtelt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Paula Havaste
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Pilz roch nach Moos, nach Erde und nach etwas Sommerlichem, das tief im Boden steckte.
    »Hallo, Weihnachtsmann, kann ich den Pilz haben?«
    Im Baum wuselte ein Eichhörnchen mit braunem Rücken. Seine Schnauze bebte, als es den leckeren Geruch des Steinpilzes einsog. Es sprang vom Baum, lief mit langen Sprüngen zu ihm hin und landete mit einem einzigen Satz auf seiner Schulter. Als der Weihnachtsmann sein buschiges Fell streichelte, klackte es zufrieden mit der Zunge.
    »Nimm nur. Was willst du denn damit tun?«
    »Ich lege ihn in eine Astgabel, wo er im Sommerwind trocknet. Dann verstecke ich ihn in einem passenden Loch, damit er vor Regen geschützt ist. Im Winter ist es eine herrliche Überraschung, wenn man sein altes Pilzversteck findet.«
    »Wir trocknen auch Pilze. Die Wichtel haben körbeweise Pilze auf Fäden gezogen, und nun schaukeln sie im Wind. An kalten Wintertagen kann man daraus eine gute Pilzsuppe kochen. Allerdings schneiden die Kleintrolle die Fäden durch und werfen die Pilze in den Bach. Sie werden immer frecher, die büschelohrigen Bösewichter!«
    »Offenbar isst du gerne Pilzsuppe. Die Wichtel auch?«
    »Sie essen höflich den Teller leer, aber Wichtel sind nun einmal keine Pilzfreunde. Wenn die Blaubeeren, Rauschbeeren und Krähenbeeren reif sind, pflücken wir sie als Wintervorrat, der auch den Wichteln schmeckt. Aber wenn Getreide und Beeren nicht reichen, müssen wir uns mit Pilzsuppe behelfen.«
    Das Eichhörnchen mochte nicht länger plaudern. Es hatte ein interessantes Geräusch gehört und hüpfte davon, den Pilz im Maul. Der Weihnachtsmann sah ihm nach, als es sorglos von Baum zu Baum sprang, und überlegte dabei, dass die Wichtel nun bald zu ihrem Sommertreffen aufbrechen würden. Eine seltsame Vorstellung, wieder allein zu sein. Kyksi war schon seit zwei Tagen irgendwo unterwegs, und der Weihnachtsmann konnte kaum begreifen, dass er es bis zum letzten Winter so lange ohne Gesellschaft ausgehalten hatte. Aber darüber zerbrach er sich nicht lange den Kopf. Die Pilze dufteten, ein milder Wind wehte, und der Frühsommer zeigte sich in all seiner Pracht. Der Weihnachtsmann ging immer weiter den Berg hinauf, pflückte unterwegs Steinpilze und tat sie in seinen Korb.
    Überall entdeckte er wuschelige Vogelkinder, die sich unter Anleitung ihrer Eltern in den Vogelkünsten übten.
    »Genau so, kleiner Pieper. Flieg hoch auf den Ast und dann wieder zurück.«
    »Mist, schon wieder daneben.«
    »Mach dir nichts draus, probier es gleich noch einmal. Na, komm schon, sogar der Weihnachtsmann schaut dir zu. Guten Tag, Weihnachtsmann.«
    »Guten Tag. Eure Jungen verlassen das Nest in diesem Jahr aber früh.«
    »Die ersten Sommerwochen waren schon so warm, dass es genug Nahrung gab. Vielleicht legen wir uns noch eine zweite Brut zu. Aber vorher muss unser kleiner Pieper, der als Letzter aus dem Ei geschlüpft ist, selbstständig fliegen lernen. Wir machen uns schon Sorgen, weil er so viel Anleitung braucht.«
    »Brauch ich gar nicht. Ihr quasselt nur so viel, dass ich mich nicht konzentrieren kann!«
    Der kleine Pieper machte einen neuen Versuch und sprang so hoch, dass ihn ein Windstoß packte und ein gutes Stück mit sich trug.
    »Hui! Wow, was für ein Tempo!«
    »Vorsichtig, Pieperchen! Entschuldige, Weihnachtsmann, ich muss hinterher!«
    Der Windstoß trug einen schallenden Ruf vom Kranichsumpf herüber. Dort sang das Kranichpaar seinen Jungen ein Kranichlied. Das Kranichweibchen hatte drei große, grün gesprenkelte Eier ins Nest gelegt, aus denen nach langem Brüten graubraune Junge geschlüpft waren. In der intensiven Wärme des lappischen Frühsommers hatten die mageren Jungen rasch zugenommen, und noch vor der Mitte des Sommers würden sie hinter ihren Eltern durch den Sumpf laufen und alle Kranichlieder lernen.
    Die Sonne brannte immer heißer, als der Weihnachtsmann den Gipfel des Fjells erreichte. Der Wind hielt die Mücken fern, und so beschloss er, eine Weile zu rasten. Eine mit Heidekraut bewachsene Stelle schien ihn geradezu einzuladen, sich darauf auszustrecken. Dort lag der Weihnachtsmann so weich und warm, dass er die Augen schloss und spürte, wie die Wellen des Schlafs immer näher kamen und ihn davontrugen.
    Unterdessen erschien am Waldrand hinter dem Fjell eine Gestalt, die ein buntes Kleid und eine lustige Mütze trug. Sie stellte den Sack, den sie auf dem Rücken trug, vorsichtig am Rand einer Quelle ab, schöpfte kaltes Wasser in die Hand, blies darüber und trank

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