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Ausgezählt

Ausgezählt

Titel: Ausgezählt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: K. H. Scheer
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Geheimeinsatz, der mich vor etwa zweieinhalb Jahren in seine Nähe geführt hatte. Daher verfehlte er seine Wirkung.
    »In meine Arme wollte ich Sie schließen, Sie empfangen wie ein liebender Vater seine heimkehrenden Söhne. Aber meine Schwäche, meine fürchterliche Schwäche hindert mich. Fünfunddreißig Kilogramm habe ich trotz strengster Diät in nur zwei Wochen zugenommen. Retten Sie mich, meine Adoptivsöhne, retten Sie mich und helfen Sie mir, den kleinen Imbiß vom Tische zu fegen wie einen dürren Grashalm im Sturmesbrausen vom Dach jener bescheidenen Hütte, die ich mein eigen nenne. Oh, mein Zuhause! Ich muß schon wieder weinen.«
    Während er sofort gekonnt in Tränen ausbrach, glitten vor seinem Sessel die stählernen Bodenplatten auseinander. Ein großer Tisch schob sich nach oben. Hannibals Bio-Augen quollen noch weiter vor. Jawohl, das war Valeries bester Gag!
    Der Tisch zerbrach fast unter der Last köstlicher Speisen. Valerie umfaßte mit einem um Entschuldigung heischenden Blick ein riesiges, dampfendes Gebilde und schlug seine Zähne hinein.
    Es dauerte nur Augenblicke, bis der Prager Schinken mit der gebackenen Schlafrockumhüllung verschwunden war. Das waren mindestens fünf Pfund gewesen.
    Und er fraß weiter! Es war ungeheuerlich, was dieses Monstrum verschlingen konnte. Als er den dritten Fasan zerriß und behauptete, er müsse wegen des Hungers, den wir in der Grundstation ausgestanden hätten, schon wieder weinen, machte ich dem neckischen Spiel ein Ende.
    Hannibal hielt die Luft an. Er fühlte, daß es übergangslos hart auf hart ging. Ich war jedenfalls nicht länger bereit, den eigentümlichen Spielregeln dieses Weltverbrechers zu folgen.
    Als ich auf ihn zutrat, bekam er plötzlich hellwache Augen. Sie waren hinter den Fettpolstern kaum zu erkennen, aber einen Schimmer bemerkte ich doch. Ja – er hatte schon immer hellblaue Augen besessen.
    Ich blieb vor dem Tisch stehen und beugte mich schnuppernd über die Köstlichkeiten. Er deutete schmatzend und rülpsend auf einen Hühnerschenkel.
    Ich erinnerte mich an die Zusammenkünfte mit Marcus Owen Toterlay. Bewußt hatte der Professor Kojastnakows Namen nie erwähnt, aber ich hatte ihm in harten Paravernehmungen den letzten Funken seines geheimsten Wissens entzogen.
    Ich wußte daher alles über die ehemalige Verbindung zwischen Valerie und Toterlay. Er, der selbst ein Fresser und Säufer und außerdem ein Rauhbein gewesen war, hatte sich von Kojastnakows Gebaren sofort angesprochen gefühlt. Toterlay hatte auch die geheime Marswaffe geliefert, mit der Valerie seine Regierung auf einen Schlag hatte »absetzen« wollen.
    Ich ergriff den von Valerie bezeichneten Hühnerschenkel und roch daran. Dann sprach ich ihn an.
    »Wenn Sie hinsichtlich des reichgedeckten Tisches diesen winzigen Schenkel Professor Marcus O. Toterlay angeboten hätten, Valerie Kojastnakow, hätte er Ihnen wutbrüllend nicht nur den Schenkel, sondern noch zwei Schweinskeulen um die Ohren geschlagen. Unter Umständen auch den gesamten Tisch. Sie werden doch wohl bereit sein, Toterlays Lieblingsschüler wenigstens den zweiten Schinken nach Prager Art zu überlassen, nicht wahr, Hyper-Dickdarm? Sie erlauben mir gewiß, Sie ebenfalls mit diesem Kosewort anzusprechen. Mein verehrungswürdiger Meister gab es mir mitsamt den herzlichsten Grüßen an Sie mit auf den Weg. Sie erlauben?«
    Ich zog mit dem Fuß einen Stuhl heran und setzte mich. Hannibal blieb hinter mir stehen.
    Kojastnakow hörte plötzlich auf zu weinen und zu fressen. Er legte die Überreste des dritten Fasans auf die Platte zurück, rülpste wie ein übersättigtes Tier und beklopfte sich mit der Rechten jene Stelle seines Mammutbauches, wo er seinen Magen vermutete.
    »Hyper-Dickdarm sagt er. Hyper-Dickdarm! Nein – also so etwas! Ich bin zutiefst gerührt. Und Grüße sollen Sie ebenfalls ausrichten? Ich …«
    Diesmal wurde er von Hannibal angefallen. Allerdings nur per Intellekt. Der Kleine hatte meine neue Taktik verstanden.
    »Fragen Sie nur nicht nach dem Wieso, Mr. Kojastnakow. Unser Meister war immer der Meinung, daß einer von uns eines Tages Ihren Weg kreuzen würde. Das ist soeben geschehen. Ein Mann wie Valerie Kojastnakow, meinte unser Meister lachend, kann sich nur selbst auslöschen, indem er sich zu Tode frißt. Andere schaffen das nicht. Also werdet ihr ihn eines Tages fin den.«
    »Diesen verdammten Gauner«, fügte ich hinzu. »Verzeihung, ich wiederhole nur Toterlays Begriffsfassung.

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